1. a) In der Metteneralp in Unterschächen wurde öfters ein altes Weib beobachtet, das »Wängiguschi« genannt, weil es immer durch Mettenen in die Alp Wängi ging. Wo dieses Guschi erschien, da hagelte es kurz darauf. Auch beim schönsten Wetter bildete sich plötzlich eine kleine Wolke am Himmel, aus der sich rasch ein gewaltiges Hagelwetter entlud. Deswegen war das Wängiguschi gefürchtet, und die Leute beeilten sich bei seinem Erscheinen mit der Arbeit oder suchten ihm den Weg zu wehren.
Das gleiche wird auf der Alp Wyssenboden in Bürglen erzählt, wo diese gespenstige Erscheinung gewöhnlich den Weg über die Fruttstiege nahm, gefolgt von einem Hagelwetter.
b) Nach andern Mitteilungen wanderte das Guschi von Mettenen über die Alp Heitmenegg und über die Ruossalperkulm ins Muotatal hinüber und überhaupt in den Alpen dieser Gegend herum.
2. Auch im Berggut Wängi ob Bürglen tauchte von Zeit zu Zeit ein solches Wybervölchli, ebenfalls Wängiguschi genannt, in verhudelten Kleidern auf; man wusste nicht, woher es kam oder wo es daheim war. Über den Kopf hatte es einen dunkelfarbigen Lumpen herabgebunden; ins Gesicht konnte man ihm nie sehen. Wenn es die Leute im Wängi irgendwo erblickten, sagten sie: »Jetz gnad' Gott, jetz chenne-mer-is einisch grächa!« Denn jedesmal gab es entweder Unglück im Stall oder verhagelte das Wetter alles. Einmal begegnete ihm einer, der es sonst nicht geglaubt hätte; es sagte zu ihm: »Magsch de lüegä, dass bald heichunnsch, wenn d'nitt witt verhaglet wärdä!« Er lachte, aber nicht lange währte es, so hagelte es vom heitern Himmel herab.
Frau Kälin-Gisler, Altdorf
3. Früher, vielleicht noch kaum vor einem halben Jahrhundert, haben die Leute auf Beroldingen von Zeit zu Zeit so ein Guschi beobachtet, das, wie eine Bettlerin gekleidet, nach alter Mode rote Strümpfe und rote Fürscheibe und auf dem Kopfe einen grossen, breitkrämpigen Schinhut, am Rücken aber einen mächtigen »Schlätterchorb« trug. Es kam von Seelisberg her über die Frutt hinauf bis zum Helgenstöckli »bim Abraham« 1 am Eingang ins Gut Beroldingen auf dem höchsten Punkte des Weges Seelisberg-Bauen und entschwand dann den Blicken der Leute. Wenn es sich sehen liess, war das Wetter nicht am besten, sondern fiel bald ab.
Marie Ziegler, v. Bauen, 60 J. alt.
Fußnoten
1 Das Bild: Abraham opfert Jsaak – ist erst um 1900/1901 aus dem Pfarrhof von Bauen in dieses Helgenstöckli geraten, weil der Pächter glaubte, das Helgenstöckli habe den Namen des Patriarchen Abraham.
Quelle: Müller, Josef: Sagen aus Uri 1-3. Bd. 1-2 ed. Hanns Bächtold-Stäubli; Bd. 3 ed. Robert Wildhaber. Basel: G. Krebs, 1926, 1929, 1945
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch.