1. Drei Geistliche haben viel über die Ewigkeit miteinander disputiert. Da machten sie gegenseitig aus, dass jener, der zuerst sterbe, den andern erscheinen und Auskunft geben solle: wie, wo und wann. Bald starb einer. Da syg's aber ä-n-ewigi. Lengi a'g'standä, bis der chu syg. Er sagte: »Äs isch nitt so, wië dü meintsch, und äu nitt so, wië-n-är meint; äs isch ganz andrisch.«
M. Anna Schmid, Ursern, 77 J. alt.
2. Zwei Maitli hatten sich das Versprechen gegeben, nach dem Tode Kundschaft von der Ewigkeit zu bringen. Bald hernach erfiel das eine, und eines Abends, als das andere im Obergaden schlief, erschien es ihm im Heutor und sagte, niemand sollte je ein solches Versprechen geben. Es sei zwar nicht z'verlier gegangen, müsse aber seines Versprechens wegen länger leiden.
Frau Kieliger-Tresch, Maderanertal
3. Zwei Freunde hatten ebensolche Verabredung getroffen. Da zeigte sich der Verstorbene dem Überlebenden, hob den Drohfinger und sagte nur: »Gnäu, gnäu!« (oder: »Zäi, zäi!« d.h. zähe).
Frau Gisler-Zwyssig, Isental; B. Loretz, Amsteg, 70 J. alt.
4. Meine Mutter hatte ihren sterbenden Gatten gebeten, ihr nach dem Tode zu erscheinen und zu offenbaren, wie es ihm vor dem göttlichen Gerichte ergangen. Eines Abends hörte sie ihn kommen und am Fenster ihres Schlafzimmers, das zu ebener Erde lag, dreimal anklopfen. »Ja, ja, Hanssepp!« rief sie ganz resolut, »wië isch g'gangä?« – »Gnäu, gnäu!« sagte er mit drohend erhobenem Finger und verschwand. Und es war doch ein christlicher, grundehrlicher Mann gewesen.
Ant. Stadler, 70 J. alt, Bürglen
5. Gar hohe und geheimnisvolle Dinge hatten zwei gute Freunde schon öfters miteinander besprochen. »Wië isch ächt i-d'r Ewigkeit änä? Isch ächt äu äso, wië miër gläubet und wië miër g'lehrt wärdet?« Das hätten sie so gerne ergründet. Zuletzt gaben sie sich das gegenseitige Versprechen, dass der, welcher zuerst sterbe, dem Überlebenden erscheinen und ihm über das Jenseits Auskunft geben müsse. Der jüngere starb zuerst, und nach längerer Zeit erschien er wirklich dem grübelnden Freunde und sprach zu ihm die seltsamen Worte: »Äs isch nitt so und isch nit andrisch, äs isch nu ganz andrisch.«
Frau Aschwanden, Bauen
6. Zwei Geschwister hatten miteinander abgemacht, jenes, das der Tod zuerst hole, müsse dem andern erscheinen und Auskunft geben, wië-s i d'r andärä Wält syg. Die Schwester war's, die zuerst in die jenseitige Welt hinüberging, und als sie ihrem Abkommen gemäss dem Bruder erschien, nur das Eine sagte:
Spitzli und Chrüsäli
Sind im Fäckfyr gar grüsäli.
In einem ähnlichen Falle lautet der Bescheid, uberähnä gäng's hert und gnäu, und äs – das Überlebende – sell nië meh so eppis v'rsprächä.
Amm-änä Schryner z'Schateref – das isch nu kei Hüffä Jahr sitter – häig d'r Frind, chüm das'r tot gsy syg, i d'Ohrä gliselet:
Bätt fir mich,
Bätt fir mich!
Ich lydä firchterlich.
Der Schryner syg grad i d'r Büttig (Werkstatt) gsy, und häig nu nit ämal gwisst, dass disä gstorbä syg.
Katharina Gamma, 50 J. alt.
Quelle: Müller, Josef: Sagen aus Uri 1-3. Bd. 1-2 ed. Hanns Bächtold-Stäubli; Bd. 3 ed. Robert Wildhaber. Basel: G. Krebs, 1926, 1929, 1945
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch.