Die versunkene Trotte
Unterhalb Wülflingen liegt kleiner Sumpf. Der späte Wanderer, der an dieser Stelle vorbeikommt, verdoppelt seine Schritte, denn der Ort ist verrufen.
Vor alten Zeiten stand an der Stelle eine Trotte, Haldentrotte genannt. Da zog der alte, biedere Trottmeister Urban den Zehntenwein ein. Er genoss bei den Bauern das höchste Ansehen, da er gerecht war und keinen drängte. Sein Sohn aber war das Gegenteil von ihm. Er hatte sein Gut verprasst und gelüstete nun nach den paar Gulden des Alten. In einer Herbstnacht stieg er in dessen Wohnung in der Trotte, erschlug den Schlafenden mit einem Beil und trug den Leichnam in die nahe Töss. Am folgenden Morgen fand man den zerschmetterten Leichnam am Ufer und glaubte, der alte Mann habe am Abend zu tief ins Glas geschaut und es sei ihm darauf ein Unglück zugestossen.
Den Sohn, der sich untröstlich zeigte und auf den kein Verdacht fiel, wählte die Gemeinde zum Trottmeister, hatte diesen Schritt aber bald zu bereuen Er betrog nämlich die Leute, wo immer er konnte, zu seinem eigenen Vorteil. Wenn der Herbst vorbei war, lud er seine Kumpane zu wüsten Gelagen in die Trotte. Eines Abends erschien den Schlemmern der Geist des alten Trottmeisters; ein furchtbares Gewitter zog sich über der Trotte zusammen, Donnerschläge fuhren nieder, Wassergüsse umbrausten das Gebäude, das Gebälk stürzte zusammen. Eine schauerliche Stimme aus den Lüften rief dem Trottmeister.
Am Morgen war die Haldentrotte nicht mehr, aber an ihrer Stelle ein stehendes Gewässer, das nach und nach zum Sumpf wurde. An hellen Herbstnächten sah man lange Zeit zur Geisterstunde aus dem Sumpf einen schwarz vermummten Mann steigen, der auf dem Rücken einen Leichnam trug. Er eilte zur Töss hinunter, worauf man ein Plätschern hörte wie vom Fall eines schweren Körpers ins Wasser; das war der ruhelose Geist des Vatermörders.
Quelle: K. W. Glaettli, Zürcher Sagen 1970, Winterthur und Weinland
Wörtlich aus Stauber, S. 69.
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch.