Vor alten Zeiten war Walchwil ein gar winzig kleines Gemeindlein gewesen. Eine reiche Frau in Luzern hatte viertausend Gulden Kapital auf dem Walchwilerberg. Diese Gulden vermachte die wohltätige Frau einem Patenkind im Dorf am Zugersee. So kam die Allmend in den Besitz Walchwils.
Da aber die Gemeinde noch recht klein war, wurde die Allmend nicht voll ausgenützt. Anstösser aus Zug baten um Erlaubnis, Vieh auf die Walchwilerallmend treiben zu dürfen. Aus der unentgeltlichen Erlaubnis wurde im Laufe der Jahre durch die Zuger ein Auftreiberecht gemacht. Es entstund darob ein gar ernstlicher Streit. Zweimal zogen die Zuger den Kürzern. Ein gewissenloser, schlauer Stadtbürger verleitete nun die Zuger zu einem dritten und neuen Prozess. Vor Gericht trat er als Zeuge auf. Als Stätte der Gerichtsverhandlungen war die strittige Allmend bestimmt worden. Bevor nun der Zugerzeuge auf den Platz ritt, nahm er in seine Stiefel Erde vom Zugerboden, unter seinen Hut legte er einen Kamm und einen Schöpflöffel. Vom Richter zum Eid aufgefordert, sprach der Meineidige mit erhobenem Schwurfinger : "So wahr ich den Schöpfer und den Richter ob mir habe, so gewiss stehe ich auf Zuger Grund und Boden". Unter dem Eindruck des feierlichen Eides fiel der Entscheid des Richters zu Ungunsten der Walchwiler aus. Auf dem Heimweg verunglückte der falsche Zeuge; es hiess, der Teufel habe ihm den Hals umgedreht. Seit dieser Stunde musste er nun durch die Walchwiler Allmend reiten und in der Bannhölzlerfluh sein Unwesen treiben.
Das ist die Geschichte vom Bannhölzler.
Über die Frutten führt der Weg nach dem untern Rossberg. Hier bemerkt man rechts einen gespaltenen Sandfelsen, aus welchem stinkendes Wasser heraussickert. Da hinein hat der Entlebucher Krummenacher das Gespenst des Bannhölzlers gebannt. Der Bannhölzler habe lange Zeit die Wanderer durch schöne Blumen angelockt, um sie dann über den Felsen in einen jähen Tod zu stürzen.
Aus dem Sandfelsen flössen ursprünglich drei Quellen. Die mittlere Quelle brachte rotes Wasser hervor; in dieses Quelloch war der Bannhölzler gebannt worden durch den Entlebucher. In der linken Quelle, welche blaues Wasser führte, war sein Hund. Hier musste der Unhold bleiben, solang er nicht herausgerufen wurde. Aber sein Machtgebiet lag nur auf der Allmend. Zuweilen riefen mutwillige Knaben ihn an die Grenze und liefen bei seinem Erscheinen flugs davon. Einem Geissbuben, der ihm einst rief mit den Worten: "Bannhölzler, wenn du mich erwischest, kannst mich haben", eilte der Geist nach. Rasch wollte der Geissbub unter dem Hag durchschlüpfen, allein, der Geist war wieselflink da und erwischte noch einen Holzschuh, den er dem Davoneilenden vom flüchtigen Fuss riss.
Auf dem Walchwilerberg war vor Jahren neben einem Bauernhaus ein Kegelplatz. Eines Tages warf einer der Kegelspieler die Kugel geflissentlich über das Ziel hinaus und rief: "Bannhölzler, komm und hol' die Kugel!" Im Hui war der Geist da. Die erschrockene Jugend floh, ein Mädchen schlüpfte rücklings unter dem Grenzzaune durch. Der Bannhölzler riss ihr im Nu die beiden bebänderten Haarzöpfe vom Kopfe. Darauf nahm er die Kegelkugel und schleuderte sie mit solch ungestümer Gewalt gegen das Haus, dass sie durch das Haus hindurchdrang.
Einst ergötzten sich ein paar lustige Gesellen wiederum mit Kegeln. Ein Spieler wurde aber von argem Missgeschick verfolgt und in seiner Wut rief er den Bannhölzler um Hilfe an. Kaum waren seine unbesonnenen Worte verhallt, als der Bannhölzler auf seinem Schimmel heranbrauste, auf den Boden sprang und die Kugel in die Hände nahm. In starkem Wurf warf er das ganze Ries um. Die Kugel flog noch weiter bis zum Kaiserstock, wo sie unter gewaltigem Krachen in den Felsen hineinfuhr.
Als der alte "Gutsch-Chasper" von Ägeri her nach Walchwil ging, sah er auf der Allmend eine grosse Gerichtssitzung. Der Bannhölzler leistete dort seinen Meineid aufs neue. Der Hut des Wanderers wollte nicht mehr auf dem Kopfe bleiben, die Haare sträubten sich vor Angst und Furcht. Eilends ging er von dannen.
Als der Bannhölzler immer und immer wieder Schaden anrichtete durch sein geisterhaftes Erscheinen, wurde er in den Pilatus gebannt. Von dort darf er nicht wieder zurückkommen, ausser die Walchwiler würden ihn bei einem grossen Rechtsstreit heimrufen.
Quelle: Hans Koch, Zuger Sagen und Legenden, Zug 1955, S. 59
Siehe auch: Die wilden Kegler
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch.