Schön-Anneli von Berchtwil

Land: Schweiz
Region: Rotkreuz, Zugersee
Kategorie: Sage

Der Freiherr auf Rüssegg hatte auf seinen wilden Streifzügen reussauf und -ab im zugerischen Berchtwil eine bildhübsche Jungfer gesehen, die im Volksmund allgemein nur "Schön-Anneli" genannt wurde. Sie war aber auch ein herziges Mädchen, wie aus Milch und Blut geschaffen. Seit der Rüssegger sie gesehen, war all sein Sinnen und Trachten nur auf diese Berchtwilerin gerichtet. Aber all sein Werben, sein Locken und Versprechen nützte nichts, seine Liebe blieb unerhört.

Als einst das Anneli von Berchtwil am Reussufer nach Haselnüssen suchte, wurde es von lauernden Knechten des Burgherrn von Rüssegg listig überfallen. In der allernächsten Nähe des bösen Hinterhaltes wartete unter überhängenden Uferzweigen ein Fischer mit einem grossen Weidling auf die raubenden Knechte und auf die kostbare Mädchenbeute. Anneli wehrte sich aus Leibeskräften, allein die sehnigen Arme der robusten Kriegsgesellen zwangen die Jungfer nieder. In ihrer grossen Angst und Herzensbedrängnis wusste sie keine andere Rettung als den Freitod. Unterhalb Meisterschwil sprang die beherzte Jungfrau aus dem Weidling in die Fluten der hochgehenden Reuss und sank lautlos in den Wellen unter. Vergeblich wartete der Herr zu Rüssegg auf seine erhoffte Beute, auf die er schon lange mit brennender Sehnsucht gewartet hatte. Mit leeren Händen kamen Knechte und Fischer auf die Burg zurück und nicht einmal den toten Körper der Berchtwilerin gaben die Reussgeister zurück.

Fischer, welche an dieser Unglücksstätte ihrem Fangwerk oblagen, sahen zu gewissen Zeiten eine weisse Frauengestalt. Diese Gestalt schwebte über die Reussfluten und rief flehentlich um Hilfe. Aus dem dichten Ufergebüsch ertönte wie eine Antwort ein jammerndes Wimmern und Stöhnen, denn in dieses Ufergesträuch sei der lüsterne Rüssegger mit seinen raubenden Trabanten gebannt und müsse nun büssen für seine frevle Untat, die Schön-Anneli von Berchtwil in den frühen Wellentod getrieben.

Quelle: Hans Koch, Zuger Sagen und Legenden, Zug 1955, S. 3

Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch.

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