Vor mehr als 200 Jahren kehrte zu Silenen im Lande Uri ein über den Gotthard kommender Strolch beim wohlbetagten damaligen Wirte ein. Nachdem der Reisende gegessen und getrunken, frug er, was er schuldig sei. Derselbe fand nun die Rechnung um drei Pfennige zu hoch und schwur daher dem Greis blutige Rache. Gleichzeitig mit ihm war ein Krämer eingekehrt, der über den Berg wollte. Der Strolch eilte diesem nach, schlug ihn tot und raubte ihm Ware und Geld. Der Mörder wurde bald ergriffen und wegen Leugnen auf die Folter gespannt. Nun bekannte er den Mord, sagte aber zugleich, der alte Wirt in Silenen habe ihn zur Tat aufgestiftet. Auf diese Aussage hin wurde der Greis eingezogen. Derselbe beteuerte seine Unschuld, wurde aber nach damaligem grausamen Verfahren trotz seines hohen Alters doch auf die Folter gespannt. Von den schrecklichen Marterqualen überwältigt, bekannte dann der Unglückliche, was man von ihm wollte. Er wurde dann ebenfalls zum Tode verurteilt. Schon lag der Mörder auf dem Rade und der Henker war eben im Begriff, ihm die Glieder abzustossen, da erwachte in ihm plötzlich das Gewissen. Er bekannte daher seine Freveltat, dass er den alten Mann unschuldig angeklagt habe, weil er geglaubt, derselbe habe bei der Zeche ihn um drei Pfennige übernommen. Daraufhin wurde freilich der gefolterte Greis freigelassen, das Urteil aber an dem Bösewicht vollzogen. (Aus Vierwaldstätter Volkskalender 1884, S. 19.)
Quelle: Müller, Josef: Sagen aus Uri 1-3. Bd. 1-2 ed. Hanns Bächtold-Stäubli; Bd. 3 ed. Robert Wildhaber. Basel: G. Krebs, 1926, 1929, 1945
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch.