Ein Kaufmann (ein Metzger) verreiste mit seinem treuen Hunde in eine fremde Gegend, um einen Markt zu besuchen. In einem dichten, finsteren Walde überraschte ihn die unheimliche Nacht. Lange irrte er da bangen Herzens umher, bis er endlich ein Lichtlein erspähte. Er ging auf dieses Lichtlein los und kam zu einem schönen, stattlichen Hause. Da klopfte er an. Ein altes runzliges Muetterli tat auf, und er fragte, ob er da übernachten könnte, die schwarze Nacht habe ihn hierher getrieben. Das Muetterli hiess ihn eintreten und an den Tisch sitzen, es wolle ihm ein Nachtessen bereiten. Der Kaufmann hatte Hunger und Durst und war mächtig froh, dass ihm das Muetterli Speise und Trank anbot. Er setzte sich an den Tisch und wartete auf das Essen. Bald kam ein Mann in die Stube, nahm neben dem Kaufmann Platz und fing ein Gespräch an. Es kam ein zweiter, ein dritter, und so ging es fort, bis es ihrer zwölfe waren. Sie hatten unheimliche Gesichter, waren aber freundlich und gesprächig und diskurrierten mit ihrem Gast, der sich die Mahlzeit wohl schmecken liess, welche das Muetterli unterdessen aufgetragen hatte. Als aber der zwölfte eintrat, ward dem Kaufmann doch etwas unheimelig zumute und er dachte bei sich: »Ja, was Teufels ist denn da los?« Er fasste Verdacht und machte sich auf alles gefasst. Der Hund lag zu seinen Füssen und knurrte. Endlich sagten die Unheimlichen zu ihm: »Wir wollen lustig sein miteinander! Jeder von uns da zahlt eine Flasche. Machet mit!« Er erklärte sich einverstanden und zahlte die erste Flasche, und jeder der zwölf Unkekannten liess eine aufspazieren. Zuletzt bestellte der Kaufmann noch eine Flasche Kirschwasser, schenkte jedem ein Gläschen ein und sich selber den Rest in einem Schoppenmywel. Dann stand er auf, erhob seinen Mywel und lud die zwölfe ein, mit ihm anzuputschen und Gesundheit zu trinken. Sie erhoben sich und stiessen an. Aber im Augenblick, da sie die Gläser an den Mund setzten, um zu trinken, fletzte er ihnen sein Kirschwasser in die Augen und rief dem Hund: »Bäri, pack! ich einä, dü elf!« Oder: »Gschwind wie der Wind brich Ysä-n- und Stachel!« Und elfen riss der wütende Hund die Gurgel auf, den zwölften erschlug der Kaufmann mit seinem Mywel.
Als das Muetterli den Lärm hörte, wollte es auch herbeieilen, und der Kaufmann hatte grosse Mühe, es zurückzuhalten, sonst wäre es vom Hund auch getötet worden. Am Morgen eilte er nach Hause zurück und machte Anzeige bei der Polizei. Er erhielt eine schöne Belohnung, denn die Räuberbande hatte viele Schandtaten auf dem Kerbholz.
Eine ähnliche Räubergeschichte wurde mir andeutungsweise vom Wassnerwald erzählt. Statt zwölf werden auch 40 Räuber angegeben.
Quelle: Müller, Josef: Sagen aus Uri 1-3. Bd. 1-2 ed. Hanns Bächtold-Stäubli; Bd. 3 ed. Robert Wildhaber. Basel: G. Krebs, 1926, 1929, 1945
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch.