An der Isleten, im Salzmisloch, ist der schmale Eingang zu einer Berghöhle, die sich inwendig allmählich zu einer, wie man sagt, ordentlich breiten Strasse erweitert und oben, am Eingang in das Isental, im Mirderloch ihren Ausgang hat. Darinnen hat vor Zeiten eine Räuberbande gehaust. Diese spannte beim Mirderloch nachts Seile über den Talweg; und wenn ein Wanderer daran stiess, gab es den Räubern ein Zeichen, worauf sie hervorbrachen, den Erschrockenen ausplünderten, töteten und den Leichnam in das Tobel schleuderten. Sie hatten ein gefangenes Mädchen bei ihnen, das sie oft auf die Bettelreise schickten. Es war immer traurig und wurde deshalb von den Leuten öfter nach dem Grunde seines traurigen Wesens gefragt, worauf es jeweilen erklärte, es habe einen Eid getan, solches keinem Menschen zu verraten. Einst wurde es auch vom Pfarrer in Flüelen so gefragt, dem es die nämliche Antwort gab. »Wenn es so ist«, sagte der, »so komme in die Stube herein, setze dich hinter den Ofen und sage es dem, aber laut, dass ich es auch höre!« Das Mädchen tat so und sagte zum Ofen:
»O Ofen! O Ofen! ich muss dir klagen, ich darf es keinem Menschen sagen.« Und erzählte ihm alles. Der Pfarrer benachrichtigte das Volk. Ein grosser Haufen begleitete das Mädchen bis zum Versteck der Räuber, verrammelte das Mirderloch mit schweren Steinen und zündete vor dem Salzmisloch einen gewaltigen Haufen dürren Holzes an. So war das Ende der Räuberbande.
Alois Herger, 40 Jahre alt, Isental
Quelle: Müller, Josef: Sagen aus Uri 1-3. Bd. 1-2 ed. Hanns Bächtold-Stäubli; Bd. 3 ed. Robert Wildhaber. Basel: G. Krebs, 1926, 1929, 1945
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch.