Die Erdmännchen im Wilental
In alten Zeiten war da Limmattal auch von dienstbaren Zwergen und Erdmännchen bewohnt. Die blieben aber stets unsichtbar, obwohl sie den Menschen viel Gutes taten. Man hatte ihnen die Gegend um den einsamen Fischweiher im Wilental zur Behausung eingeräumt. Solange sie dort ungestört blieben, behüteten sie Mensch und Vieh vor Unglück und Not und bewiesen damit den Menschen ihre Dankbarkeit. Friedliche Leute, die feierabends das Wilental betraten, duldeten sie wohl. Fischfrevler und lärmende Trunkenbolde führten sie jämmerlich in die Irre und ergötzten sich an ihrer Angst.
Als 1798 die Franzosen einrückten, war’s mit der Stille des Wilentales vorbei. Die Welschen holzten den schönsten Baumbestand ab und verbrannten das Holz an ihren Lagerfeuern. Die erzürnten Erdmännchen rächten sich. Mehrmals verschwanden nächtlicherweise Wachtsoldaten, wenn sie durch das Wilental ihre Runde machten. Doch daran kehrte sich niemand. Mit viel Lärm und wüstem Gefluch wurden die Rosse im Seelein getränkt und in dessen Ausfluss geschwemmt. Den heissgeschossenen Lauf der grossen Kanone kühlten die wilden Gesellen im frischen Wasser.
Die Fische hatten auch ihre schönsten Zeiten gehabt. Eines Tages, als der „Spatz“ der französischen Feldküche ausgeblieben war, gruben die Soldaten kurzerhand den Ausfluss des Seeleins ab, dass der Spiegel sich langsam senkte und die Fische sich in einer schlammigen Ecke zusammendrängten. Die Franzosen hofften, ihrer hier leicht habhaft zu werden, staunten aber nicht wenig, als plötzlich zwei der wildesten Krieger im Schlamm versanken und nicht mehr gefunden werden konnten. Das war die Rache der Erdmännchen, die nicht zuschauen konnten, wie die gesättigten Soldaten sich im Übermut die Fische an den Kopf warfen.
Dieses Unrecht verleidete dem kleinen Volke den Aufenthalt am Wilerseelein. Rache schwörend verliessen sie die Gegend und kamen nicht wieder. In mondhellen Nächten aber geistern noch heute die verirrten und versunkenen Franzosen im Wilental. Es behauptete mehr als einer, schaurige Schreie im Wald gehört zu haben.
Quelle: K. W. Glaettli, Zürcher Sagen 1970, Limmattal
Aus den „Sagen aus dem Limmattal“. Quellen sind dort nicht angegeben. Laut Vorbemerkung wurden die Sagen durch Sekundarlehrer K. Klenk „durch Schulaufsätze“ gesammelt.
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch.