Zufällig kam ein Geissbub an eine Fluh. Da hörte er eine Stimme rufen: »Sesam, öffne dich! Sesam, schliesse dich!« und die Fluh tat sich auf. »Da könntest du hineingehen,« dachte der Geissbub und trat ein, der Spalt schloss sich hinter seinem Rücken. Er wandelte durch einen Gang und kam in eine Kammer, wo Gold in Menge aufgehäuft war. Damit füllte der Geissbub seine Hosensäcke und trat den Rückweg an. Als er dem Eingang nahe war, rief er: »Sesam, öffne dich! Sesam, schliesse dich!« Der Spalt klaffte, der Bub gewann das Freie, und die Fluh schloss sich wieder. Zu Hause zeigte er seinen Fund den zwei Brüdern. Diese wollten auch von dem Golde und gingen zur Fluh und riefen: »Sesam, öffne dich! Sesam, schliesse dich!« Auch ihnen öffnete sich der Felsen, und sie beluden sich mit Gold. Auf dem Rückweg jedoch kam ihnen das Sprüchlein nicht mehr ganz in den Sinn, und so blieb ihnen der Ausgang verschlossen. Sie mussten drinnen bleiben. Da ging der Geissbub hin, um sie zu befreien, und rief: »Sesam, öffne dich! Sesam, schliesse dich!« Aber der Spruch hatte keinen Erfolg. Ein altes Guschi kam daher und sagte: »Diese Fluh wird nicht mehr geöffnet; die zwei Gefangenen da drinnen müssen im Golde einwachsen.«
Karl Gisler, 75 J. alt, Unterschächen
Quelle: Müller, Josef: Sagen aus Uri 1-3. Bd. 1-2 ed. Hanns Bächtold-Stäubli; Bd. 3 ed. Robert Wildhaber. Basel: G. Krebs, 1926, 1929, 1945
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch.