a) Eine Stunde ob Amsteg, wo die wilde Reuss in ein weiteres Tal hinab gelangt, finden sich am linken Ufer derselben die kleinen Weiler Intschi und Graggertal zwischen Schutt und Felsen, zwischen denen nur einzelne Sträucher und Tannen kümmerlich gedeihen. An dieser Stelle waren vor etlichen und hundert Jahren zwei Goldbergwerke in Betrieb. Einige Männer aus der Umgebung hatten selbe entdeckt und bebauten sie mit Hilfe von fremden Bergknappen. Der reiche Goldgewinn brachte jedoch den Unternehmern keinen Segen. Sie wurden übermütig und führten ein wüstes Leben mit Spielen und Prassen. Einmal hatten sie eine besonders reiche Ader entdeckt. Da liessen sie Hauen und Pickel ruhen und gingen mitten im Tag hinunter nach Amsteg ins Wirtshaus. Darauf schlossen sie die Fensterladen und Türen und zündeten Kerzen an, indem sie höhnisch sagten: »Wir Berglüt bruchet ises Herrgott's Liecht nimme!« Dann ging's drauf los mit Essen, Trinken und Spielen, Tag und Nacht, bis sie nicht mehr konnten. Nachher ging es endlich wieder an die Arbeit. Kaum waren sie aber in die Gruben eingefahren, so erzitterten die Berge von einem fürchterlichen Erdbeben, und beide Gruben stürzten krachend über den Frevlern zusammen. Jetzt brauchten dieselben freilich des Herrgott's Licht nimmermehr. Die Gruben blieben seither verschüttet. Keinen Urner noch fremden Unternehmer hat es seitdem gelüstet, daselbst wieder auf Gold zu graben.
Aus Vierwaldstätter Volkskalender 1884, S. 19
b) Ein Gurtneller von 72 Jahren erzählte mir 1912 die gleiche Sage folgendermassen: Südlich von Amsteg hinter dem Intschitobel an der Gotthardstrasse heisst eine felsichte, zerklüftete Stelle »d'Schmelzi«, weil hier vor Zeiten Golderz gegraben und geschmolzen worden sei.1 Es waren übermütige, stolze Menschen, die hier im Bergwerk arbeiteten. Da ihnen einmal das Glück geleuchtet und eine grosse Menge Gold in die gierigen Hände geliefert hatte, zogen sie jauchzend und johlend nach Amsteg, um sich bei Tanz und Spiel, bei Speise und Trank nach Herzenslust gütlich zu tun. »In des obern Treschen« (jetzt Hotel zum Hirschen) kehrten sie ein. Es war ein prächtiger Tag. Vom blauen, wolkenlosen Himmel leuchtete hell die liebe, goldene Sonne. Aber die Bergmänner schlossen die sämtlichen Fensterladen des Wirtshauses. »Wir brauchen des Herrgotts Licht nicht!« prahlten sie, »wir vermögen eigenes Licht.« Bald nach diesem lustigen Tag, als sie wieder im dunklen Schoss der Erde nach dem edlen Metalle suchten, fiel das Bergwerk zusammen und begrub sie alle. Nach vielen Tagen wurden ihre Leichen ausgegraben, und zwischen ihren Zähnen fand man noch halbzerkautes Schuhleder.
Johann Tresch, der Präzis
c) Nach einer dritten Erzählart waren es drei Tiroler und soll das Wirtshaus damals dem Hans Ambort gehört haben nebst einer Bleue und einer Beinstampfe im Schachli; nach andern soll Hans Ambort selbst dabei gewesen sein. Als Ort des Unglücks wird ebenso häufig ein Bergwerk »auf der Höhe« im Ried, gegenüber Intschi, am rechten Reussufer angegeben, wo nach Angabe sonst zuverlässiger Leute noch heute Spuren des Bergwerkes vorhanden sind.
d) Wieder andere berichten, die Bergleute hätten bei ihrer Arbeit im Innern des Berges übermütige, gottlose Reden geführt und über das liebe Brot verächtlich gespottet. Da sei der Eingang zusammengefallen. Halb zerkaute Schuhsohlen haben Zeugnis abgelegt vom Hungertode der Unglücklichen.
Fußnoten
1 Andere behaupten, man habe am Erzstock in der Intschialp Silbererz gewonnen und auf Schweinshäuten zur Schmelzi hinunter transportiert.
Quelle: Müller, Josef: Sagen aus Uri 1-3. Bd. 1-2 ed. Hanns Bächtold-Stäubli; Bd. 3 ed. Robert Wildhaber. Basel: G. Krebs, 1926, 1929, 1945
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch.