a) »Im untersten Gang des Schlosses sei früher eine Schmiede gewesen, haben die Alten gesagt, und noch in meiner Jugendzeit hatte ein Teil desselben diesen Namen,« belehrt mich ein ein 80jähriger Seedorfer. »Von dort führte eine unendlich lange Wendeltreppe (»ä Schnäggästägä«) in den Erdboden hinunter; niemand weiss, wie tief. Ich stieg[ auch einmal hinunter, als ich aber von oben keine Heiteri mehr sah, bekam ich Angst und kehrte um. Weiss Gott, wo ich da hingekommen wäre. Die Treppe führt zu einem grossen Schatz, aber kein einziger Mensch hat ihn je erreicht; alle die vielen, die schon hinunter gestiegen sind, fürchteten sich, sobald sie von oben kein Licht mehr sahen, und kehrten um.«
Joh. Exer
b) Eine 80jährige Seedorferin berichtet: »Einige Knaben, ich könnte sie alle noch aufzählen, machten eines Tages, als ich noch in die Schule ging, im Schloss Versteckis. Während sich die andern ein Versteck suchten, blinzte der eine an der Mauer des Ganges im Erdgeschosse nahe bei der Haustüre. Man nannte diesen Teil des Ganges ›d'Schmittä‹, weil da früher eine Schmiede gewesen sein soll. Und in der Tat sah man noch damals Spuren einer solchen. Als der Knabe den Kopf von der Mauer weghielt und aufschaute, um auf die Suche zu gehen, da erblickte er plötzlich vor sich drei grosse Häfen voll Geld; in einem glänzte Gold, im andern Silber, und der dritte war mit Kupfergeld gefüllt. Schnell holte er seine Kameraden herbei, aber jetzt waren die drei Häfen samt dem verlockenden Inhalt verschwunden.«
Fr. Tresch-Gisler
c) In den Schlupfwinkeln des Schlössleins machten fröhliche Kinder oftmals Versteckis. Da brachte einmal des Ratsherrn Alberten Töchterlein seinen Eltern, die als Pächter im Schlösslein wohnten, die sonderbare Mitteilung, es habe beim Spiel schon einige Male durch ein Mauerloch in ein verborgenes Kämmerlein hineingeschaut und darinnen einen Haufen glänzendes Gold erblickt auf einem Tischlein. Auf dem Gold sei ein schöner Mann gesessen. Die Leute befahlen ihm strenges Stillschweigen und machten sich dann während der nächsten Nacht, mit Werkzeugen bewaffnet, auf die Suche. Aber das Kind fand die Maueröffnung nie mehr, trotzdem es sonst mit allen Winkeln und Schloffen des Gebäudes vertraut war. – »Und da hennt sy den äbä wellä ha,« fährt die Erzählerin fort, »wennd das Chind eppä sy G'stapäliär uder sys Nastiächli uder susch eppis uff das Gäld anä griährt hätt, so wärs nitt verschwundä.« Und ein Zuhörer bestätigt: »Das het mä je und je g'seit, wem-mä so eppis findi und dervo miäß und nid eppis derzüe leggi, äs Mässerli uder mynetwägä-n-eppis anders, so meg-s-es wider züetüe.«
Paulina Zwyssig
d) Einst spielte eine Schar leichtfüssiger Kinder im Erdgeschoss des weitläufigen Schlössleins Ringel-Reihen, und »Ringä, Ringä, Rosä« schallte es laut durch die weiten Hallen. Da öffnete sich mit einemmal inmitten des Kreises vor ihren Augen ein rundes, tiefes Loch in der Erde, und da glänzte und schimmerte es wie Gold. In heller Freude eilten die Kleinen nach Hause mit der Mär, es sei ein ganzer Haufen Gold im Schlosse. Die Leute liefen hin, aber, o Jerä! niemand konnte auch nur das geringste Brösmeli des so geschätzten Metalles erspähen.
Frau Wipfli-Herger, 80 J. alt
Quelle: Müller, Josef: Sagen aus Uri 1-3. Bd. 1-2 ed. Hanns Bächtold-Stäubli; Bd. 3 ed. Robert Wildhaber. Basel: G. Krebs, 1926, 1929, 1945
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch.