a) Ein armer Schlucker mit zahlreicher Kinderschar befand sich in grosser Not. Wie er einmal traurig und sinnend durch einen Wald dahinschritt, begegnete er einem fremden Mandli, das freundlich mit ihm sprach und ihn nach dem Grunde seiner Niedergeschlagenheit fragte. Er klagte ihm seine Bedrängnis und erhielt den Rat, er solle einen bestimmten Ort aufsuchen, den ihm das Mandli genau bezeichnete, dort werde er einen grünen Frosch (nach andern: eine Kröte) finden; den solle er in ein Lumpli einwickeln, mit nach Hause nehmen und ihm dort ein Geldstück unterlegen, so werde er am nächsten Tag das Doppelte wegnehmen können. So solle er fortfahren, bis er reich genug sei. Er befolgte den Rat und legte am ersten Tag einen Franken, am zweiten zwei, am dritten vier Franken unter und setzte fort, bis er ein schönes Vermögen beisammen hatte. Da suchte er das Tier wieder loszuwerden. Er nahm es mit auf den Markt, schob es heimlich einem andern in den Sack, aber hatte es, als er nach Hause kam, wieder in seinem eigenen Sack. Jetzt wurde ihm heiss und angst. Er nahm seine Zuflucht zu einem Kapuziner. Der verwies ihm scharf sein Unrecht und meinte, es sei gut, dass er nicht in diesem Zustand gestorben, sonst wäre er ewig verloren gewesen. »Aber wie ist da zu helfen? Da ist guter Rat teuer!« Lange besann sich der Pater und schien keinen Ausweg zu finden. Endlich sprach er ein erlösendes Wort und nahm dem Bäuerlein den Stein vom Herzen: »Bringet die Alraune morgen abends, in ein Lumpli fest eingewickelt, hieher an die Pforte; ich werde dann bereit stehen und euch öffnen; werfet sie blitzschnell hinein, schliesst die Türe und macht euch davon! Aber ich fürchte, es wird schwierig sein.«
Der Abend war noch dem Tage näher als der Nacht, als das geängstigte Männchen an der Klosterpforte anläutete. Die Pforte ging auf, das Lumpli mit seinem Inhalt kam in den Klostergang hineingeflogen, und die Türe flog wieder zu. Der Pater packte den Frosch und heftete ihn samt Umhüllung (oder in ein Kelchtüchlein eingewickelt) an das grosse Kruzifix zu Füssen des Gekreuzigten.
Um die zwölfte Stunde in der folgenden Nacht entstand vor dem Kloster ein gewaltiger Rumor und Lärm. Die Kapuziner schauten hinaus und erblickten ein ganzes Kriegsheer, das ohne Aufhören brüllte: »Heraus mit ihm! Heraus mit ihm, sonst zerstören wir das Kloster!« Der Guardian ging an die Pforte und fragte die Rotte, was sie begehre. »Ihr haltet unsern Hauptmann gefangen! Gebt ihn sofort heraus!« hiess es. Der Guardian wusste um nichts; er berief den Konvent zusammen, aber keiner wusste Rat, alle zitterten. Endlich stand unser Pater auf – er war der einfältigste in der ganzen Klosterfamilie und nicht besonders geachtet – und bekannte seine Tat. »Gut,« herrscht ihn der Vorgesetzte an, »so esset jetzt die Suppe selber aus, die ihr da eingebrockt habt!« Der Schuldige ging an die Pforte und fragte die immer schrecklicher tobende Masse nach ihrem Begehr. »Ihr haltet unsern Hauptmann gefangen, gebt ihn sofort heraus!« schrieen sie. »Hm, pressiärt miär kei Dräck,« meint trotzig und gelassen der Pater. »Wenn-är-ä wennt, chenned-er-ä sälber chu nä!« Das konnten sie nicht. Die andern Kapuziner drangen in ihn, er solle ihn der tobenden Menge ausliefern. Aber er wollte nicht. Endlich liess sich die Bande auf's Markten ein, da sie wohl merkten, dass da mit Täubi und Gewalt nichts auszurichten sei. »Sobald ihr mir,« sagte jetzt der mutige Kuttenmann, »100 Reissäcke voll (nach andern: 11 Säcke) verlorenes Gold aus dem Meere hieherstellt, dass das Meerwasser noch heraustropft, sollt ihr euern Häuptling haben.« Aber wohl! Das ging nicht lange, standen die 100 Säcke voll Gold vor der Pforte, und das Meerwasser träufelte noch heraus! Jetzt sagte der Kapuziner nochmals, sie sollten das Tier wegnehmen, aber sie konnten nicht. Er warf das Tier auf die Diele hinaus, allein erst, als er es zur Pforte hinausschleuderte, konnten sie es fassen.
»Sehet jetzt,« sagte der einfältige Pater zu den andern, »ihr hättet ihn mir nichts dir nichts ausgeliefert; ich aber habe doch etwas dafür gelöst, das unserm dürftigen Kloster und den Armen wohlkommt.«
Jos. M. Zberg, 75 J. alt, Silenen; Heinrich Baumann, 72 J. alt, Attinghausen; Peter Tresch, Silenen
b) Nach anderer Darstellung hatte er die Kröte in der Heiligen Nacht, während es zur Wandlung läutete, unter einem Weisshaselbusch hervorgegraben.
c) Statt der Kröte oder des Frosches eine Spinne.
Frz. Zgraggen, 24 J. alt, Gurtnellen
Quelle: Müller, Josef: Sagen aus Uri 1-3. Bd. 1-2 ed. Hanns Bächtold-Stäubli; Bd. 3 ed. Robert Wildhaber. Basel: G. Krebs, 1926, 1929, 1945
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch.