Einer besass den Geistlichen Schild. Als er einmal beichtete, forderte ihm der Geistliche das Zauberbuch ab, allein er gab es nicht heraus, er brauche es nur in der Not, und das könne doch sicher keine so grosse Sünde sein, meinte er und musste daher ohne Absolution aus der Kirche.
Nun traf es sich einstens, dass er beim Zunachten durch den Wassnerwald marschieren musste, wo bekanntlich eine gefürchtete Räuberbande hauste. In einiger Entfernung vor sich sah er einen Geistlichen einherschreiten; froh, einen Kameraden zu finden, beflügelte er seine Schritte und holte ihn ein. Es war der Beichtvater, der ihn nicht hatte absolvieren wollen! wurde aber vom selben nicht erkannt. Weil es stockfinstere Nacht wurde und ein greuliches Unwetter einbrach, sahen sich die beiden des Weges nicht sehr kundigen genötigt, in ein Gädemli an der Strasse zu flüchten, ohne zu ahnen, dass es eine Räuberhütte sei. Plötzlich kamen die Räuber dahergestürmt und wollten über die Eindringlinge herfallen. Der Geistliche zitterte an allen Gliedern wie Espenlaub. Sein weltlicher Begleiter zog aber blitzschnell den Geistlichen Schild aus der Tasche und las darin. Wie auf Kommando stellten sich jetzt die Räuber in zwei Abteilungen auf und blieben dann bocksteif stehen, ohne ein Glied zu rühren. Wie durch eine Ehrengarde hindurch konnten jetzt die zwei Wanderer, als der Morgen graute, unversehrt abziehen.
Ob der geistliche Herr seine Ansicht über die Anwendung des Zauberbuches nicht geändert?
Jos. Maria Tresch, 70 J. alt, Silenen
Quelle: Müller, Josef: Sagen aus Uri 1-3. Bd. 1-2 ed. Hanns Bächtold-Stäubli; Bd. 3 ed. Robert Wildhaber. Basel: G. Krebs, 1926, 1929, 1945
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch.