Während des Sommers kam öfters ein Wybervölchli nach Brunni und bettelte. Die Leute gaben ihm willig reichliche Almosen an Zieger, Geisskäse und Anken. Doch mit der Zeit merkten sie, dass es Geld besass und bei weitem nicht so arm war, wie es sich den Anschein gab. Deshalb fingen sie an, ihm das Almosen zu verweigern. Da wurde es aber böse und sagte: »Wartet nur! ych wil-i im Nahsummer ä Schwirrä schlah, das-er nu am-mi dänket!« Sie hatten sich nämlich eines gesegneten Vorsommers erfreut, Gras in Fülle gehabt und reichlich Käse und Anken aufgespeichert. Richtig! kaum war der Nachsommer angebrochen, überzog sich eines Nachmittags der Himmel mit schweren, schwarzen Wetterwolken, und kaum gedacht, entlud sich über den Brunniboden ein unsagliches Hagelwetter, wie es die Leute noch nie erlebt hatten. Der Hagel zerschlug jämmerlich die hübsche Weide. Durch Täler und Runsen brüllten die Rübenen und Bäche gegen den Brunniboden herunter. Doch siehe! was kommt dort zuvorderst auf dem grössten Koosi (Rübi)? Die Bettlerin ist's; sie jauchzt und johlt, sitzt an einem Spinnrad und spinnt. Und zuoberst fährt ein zweites Wybervolch daher und treibt aus Leibeskräften an einem Haspel. Alles Volk weint und jammert. Ein Alter sagt: »Wenn doch nur jemand nach Schwanden hinaus laufen und das Kapellenglöcklein läuten würde!« Das hört ein kräftiger, flinkbeiniger Bub; er springt, so schnell ihn seine Beine tragen, und setzt das Glöcklein des St. Anna-Kirchleins in Bewegung. Da spitzt die Hasplerin ihre Ohren und ruft: »Lunnä! äs lyttet z'Schwandä!« Und grimmig schreit die Spinnerin:
»Ja, d'Grossmüetter St. Annä
Hilft-nä wider denä Satannä.«
Beide Hexen verschwinden. Das Wetter und die Rübenen geben nach.
Frau Arnold-Gisler, 50 J. alt, u.a.
Quelle: Müller, Josef: Sagen aus Uri 1-3. Bd. 1-2 ed. Hanns Bächtold-Stäubli; Bd. 3 ed. Robert Wildhaber. Basel: G. Krebs, 1926, 1929, 1945
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch.