Zur Zeit, als noch Josef Maria Arnold, ein grosser, stattlicher Herr mit prächtigen Augen, der stets eine weisse Zipfelkappe trug, in Göscheneralp als Kaplan amtete (1806 – †1849), geschah es eines Tages, dass bei herrlichstem Wetter und bei glanzheiterm Himmel ein fremdes, unbekanntes Weibervolk in das Tal kam. Agatha, die Haushälterin des Kaplans, hat es gesehen durch den Boden herein und durch die Alp bis zu hinterst marschieren. Da auf einmal bedeckte sich der Himmel über der Göscheneralp ganz schwarz, ehe man sich versah, fiel ein gewaltiger Regen vom Himmel, die Reuss schwoll an, sie schäumte geradezu. Es war ganz merkwürdig, wie sie sichtbar aufging. Da lief die Agatha zum Kaplan und fragte, ob sich da nicht etwas mit Segnen dagegen tun liesse. Der Kaplan wollte zuerst nicht, weil ja niemand sonst komme und darum bitte. Dann legte er aber doch seine Zipfelkappe an und ging an die Reuss, warf etwas Gesegnetes hinein und las den Segen. Da legte sich das Wetter, und die Reuss nahm von Sekunde zu Sekunde sichtbar ab, sank in sich zusammen und in kürzester Zeit auf ihre gewöhnliche Höhe. »Das hat mir die Agatha selber mit wahrer Andacht, in aller Treue erzählt, mehr als einmal.«
Heinrich Gamma, Tramsekretär in Altdorf
Quelle: Müller, Josef: Sagen aus Uri 1-3. Bd. 1-2 ed. Hanns Bächtold-Stäubli; Bd. 3 ed. Robert Wildhaber. Basel: G. Krebs, 1926, 1929, 1945
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch.