1. In eine Alp des Kantons Glarus kam alle zehn Jahre ein unbekanntes Weib, trieb sich bei den Kühen herum und tätschelte dann die schönste Kuh auf die Laffen, indem es dabei sagte: »Das isch doch äs scheens Chüehli!« Dieses Stück Vieh war dann immer dem Verderben geweiht. Endlich bekamen sie einen Urner Knecht, und der befahl: »Das nächste Mal berichtet mir sofort, wenn die Hexe wieder eine Kuh getätschelt hat, ich weiss dann schon, was machen.« Sie folgten ihm, und, als man ihn holte, da molk er sofort die Kuh, schüttete die Milch in ein Eisenchessli, stellte sie über das Feuer und rührte mit einer Kuhkette, in die er einen gesegneten Haselzwick verflochten hatte, die Milch. Da hörten sie ein entsetzliches Geschrei und Gejammer, und eine unsichtbare Stimme rief: »Herr üff, um Gotteswillä! Ich will g'wiss nimmä chu.« Aber der Knecht gab nicht nach, bis alle Milch verdunstet war. Nach und nach wurde das Stöhnen der Unsichtbaren immer leiser und verstummte zuletzt. Die Hexe erschien nie mehr auf der Alp.
Adelbert Arnold, 20 J. alt, Bürglen
2. Wenn allemal ein gewisser Bürgler Bauer im Frühling mit seinem Vieh von Schwyz heimfuhr, kam jedesmal im Heiss-Tal am Tellen an der Axenstrasse ein Weibervolk, machte sich an die Schellenkuh, tätschelte sie und sagte: »Eine prächtige Kuh! Die gibt gewiss einen Schapf Milch!« Am folgenden Tage war die Kuh jeweilen tot. Das Gegenmittel konnte man mir nicht richtig angeben. Es blähte die Hexe auf und sie zerplatzte in Gegenwart der Leute, die sofort die Kuh molken, nachdem sie von ihr berührt worden.
Gustav Arnold, Bürglen, 20 J. alt
Quelle: Müller, Josef: Sagen aus Uri 1-3. Bd. 1-2 ed. Hanns Bächtold-Stäubli; Bd. 3 ed. Robert Wildhaber. Basel: G. Krebs, 1926, 1929, 1945
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch.