1. Ein Bäuerlein, dem eine Hexe alles Vieh verderbt hatte, sagte eines Morgens zu seiner Gattin: »Wenn es so ist, so will ich auch ein Hexenmeister werden.« Sie riet ihm ernstlich ab und warnte ihn mütterlich vor diesem sündhaften Schritte. Weil er aber sein Vorhaben nicht aufgab und in allem Ernste einen Hexenmeister aufsuchte, sagte sie endlich: »Ja, wenn es dein Ernst ist, so will ich dich die Hexenkunst schon lehren.« Der Mann erklärte sich einverstanden. Um Mitternacht musste er, mit einer Mistgabel bewaffnet, seine Frau auf den Miststock begleiten. Dort hätte er nun die Gabel in den Düngerhaufen stecken und Gott und allen Heiligen abschwören sollen. Sie sprach, hinter ihm stehend, die Formel vor. Er murmelte etwas, und auf einmal kehrte er sich wie der Blitz um, und mit den Worten: »Jetz g'seh-n-i, das ä Häx bisch,« stach er die dreizinkige Mistgabel dem falschen Weib ins Herz. Am Morgen lag es tot auf dem Fleck und war brandschwarz. Der Mann hatte es schon lang im Verdacht gehabt und tat nur dergleichen, als ob er die Hexerei auch lernen wolle, um es auf solche Art zu fangen.
Fr. Zäzilia Gisler-Walker, 70 J. alt
2. Einst kamen drei stolze, prachtvolle Meitli über Hüfi und durch das Maderanertal ins Land, blieben da, und alle drei heirateten in der Folge Ratsherren, eine in der Blüemlismatt hinter der Reuss, eine im Ried ob Amsteg und die dritte, weiss ich nicht wo. Der Ratsherr im Ried merkte bald, dass seine mehr könne als andere, und nahm sich vor, sie auf die Probe zu stellen. Er sagte eines Tages zu ihr, er möchte ihre Künste auch lernen. »Gut,« antwortete sie, »so komme morgen abends mit mir nach Amsteg hinunter, dort stellen wir uns auf einen Rossmiststock, und dann musst du mir alles Wort für Wort nachsprechen, was ich dir vorsage.« Der Mann versprach das. Als sie dann auf dem Miststock standen, sprach die Hexe: »Jetz simmer ufem Rossmist.« Der Mann sagte es nach. »Jetz verschweere-mer Jesum Christ,« fuhr die Hexe weiter. »Und ich erschlah, wer näb-mer isch,« sagte der Mann und erschlug die Frau mit der Faust.
Josef M. Baumann, Gurtnellen, 68 J. alt, Bauer, Fuhrmann, Taglöhner
Quelle: Müller, Josef: Sagen aus Uri 1-3. Bd. 1-2 ed. Hanns Bächtold-Stäubli; Bd. 3 ed. Robert Wildhaber. Basel: G. Krebs, 1926, 1929, 1945
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch.