a) Die Klaridensage wiederholt sich mit geringen Änderungen auf der urnerischen Blümlisalp, einem muldenförmigen, mit Schnee und Eis erfüllten Tale auf dem Uri-Rotstock. Der gegen seine Mutter hartherzige, gegen die Liebste aber verschwenderische Senn habe sogar seine schönste, nämlich die Treichlenkuh, christlich getauft und sie Bäbi genannt. Sogleich wurde die ganze schöne Alp in einen traurigen Firn verwandelt und die Kuh gab seither ganz »schwarz-zäggeti« Milch. Noch soll sie wandeln auf dem Firn und von Geistern gemolken werden. Am Karfreitag, während in der nächsten Kirche Passion gelesen werde, lasse sie, ganz zahm auf dem Firn dahergehend, sich sehen. Würde sie um diese Zeit gemolken, bis sie weisse Milch gäbe, so wäre sie erlöst, der Firn ginge weg, und die Alp stünde wieder grasund blumenreich da. Ein entschlossener Bauer habe das einst probiert und sei mit einem grossen Eimer, Melkstuhl und Melckschmutz an die Kuh hin, die sich friedlich dazu gestellt habe. Das Euter war warm, die Milch schwarz und »zäggät«; bald wurde das Euter wärmer, die Milch braunrot, dann jenes heiss, diese rot. Endlich erreichte das Euter die Glühhitze, und schon spielte die Farbe der Milch ins Rosenrot hinüber, der Melkschmutz war ihm aller zerronnen. Nur noch ein wenig ausgeharrt, mein Senn! Doch leider, die Hitze war ihm zu gross, er sprang fort. Das arme Tier, der Erlösung so nahe, fiel um und sprang wieder auf, brüllte und heulte verzweiflungsvoll.
b) Die Liebste hiess Margryth; sie wohnte im Boden und besuchte fleissig den Senn auf der Blümlisalp. Auch des Senns Mutter kam einmal mit dem Handbräntli, um Milch zu heischen. Aber der ungeratene Sohn gab ihr keine. Eines Tages unterliess Margryth den versprochenen Besuch; da wurde der Senn vom Zorne übermannt und schrie: »Verflüechti Hüer Margryth!« In diesem Augenblick ging die Alp mitsamt Senn, Kuh und allem Vieh zugrunde.
Von der verwünschten Alp her hört man zu gewissen Zeiten eine Stimme rufen:
Ich und my Hund Parys und my Chüeh Brändi
und my Liäbsti Margryth
Miänt immer und ewig i Bliämlisalp sy.
Marie Ziegler
c) Dem Küher wurde geoffenbart, er solle mit dem Sennten fliehen, ausgenommen die Kuh Brändi, denn die Alp werde untergehen. – Als es so furchtbar schneite und tat, nahm der Senn mit der Liebsten Kathry das Chessi über sich, und sie wollten fliehen. Aber es gelang ihnen nicht. »Der Sänn und sy Kathry miänt etz immer und ewig z'Bliämlisalp underem Chessi sy.« – Die Geisterkuh hat dornige Strichen und gibt sieben Melchteren voll Milch. Alljährlich am Karfreitag während der Passion oder am Christfest in der Heiligen Nacht während des Gottesdienstes erscheint sie, und wenn sie einer, ohne ein Wort dabei zu sagen, sauber ausmelken würde, so würde der Senn erlöst und die Alp in ihrer alten Herrlichkeit erstehen. Einer probierte es. Bei der siebenten Melchteren kam ein schwarzes Hündlein und wollte von der Milch lappen. »Hüss!« sagte der Melker, und die Kuh war fort.
Mich. Imhof
d) Der Melker, über die Menge der Milch verwundert, sagte: »E, wevel Milch!«
e) Am Karfrytig underem Passion gäbs de da neiwä-n-äs abers Plätzli, und da chennt mä de diä Chüeh mälchä.
Anton Huber
f) Wenn einer die Kuh milkt, ohne an etwas anderes als an das Melken zu denken . .... Hätte der Melker den Hund saufen lassen, bis er geborsten wäre, so hätte er den Senn erlöst.
Frz. Jos. Zwyssig
g) Die Mutter wurde vom Senn mit saurer Schotte und »Mürägsims« (Kalk und allerlei Dreck von einer Mauer) bewirtet und verwünschte ihn deshalb, und als sie die Alp verliess, folgte ihr das ganze Alpsennten mit Ausnahme einer einzigen Kuh, Bliämi genannt. (Nichts von der Taufe.) Die Alp mit dem Senn, seiner Liebsten und der weiss und rot gefleckten Kuh Bliämi wurde eingeschneit. Der Senn mit der Liebsten und dem Bliämi müssen auf dem Firn wandlen. All z'alten Mittwoch kommt der Senn mit dem Bliämi zum Vorschein und ruft: »Wenn einer neun Melchteren vom Bliämi melken kann, ohne etwas dabei zu denken, so bin ich und meine Hur Anna-Kathry erlöst.« Aber das Bliämi ist nicht gut melken, denn es hat dornige Strichen von Holz. Einer probierte es; aber bei der neunten Melchteren dachte er: »E, diä Chüeh gitt neiwä vill Milch!« und alles war verschwunden.
Hans Aschwanden
h) Bliämlisalp ufem Uri-Rotstock, das isch än Alp gsy, wiämmä niänä-n-ä keini meh findet, vo Bliämlänä, diä sind leetigs Milch gsy. Drymal im Tag hennt s' miässä mälchä. Und darnah hennt sy mit Chäs und Ankä g'stäget. Und uff das het's afah schnyä. Und der Sänn het wellä fliäh und het miässä midem Chessi under der Hittätirä blybä. Ä Chuäh isch au neiwä dertä gsy; diä heig Bliämli gheissä; aber was mit deerä gsy isch, weiss ich nit, bastä, sy het au miässä underem Firä blybä.
M. Josefa Aschwanden, Sisikon
Quelle: Müller, Josef: Sagen aus Uri 1-3. Bd. 1-2 ed. Hanns Bächtold-Stäubli; Bd. 3 ed. Robert Wildhaber. Basel: G. Krebs, 1926, 1929, 1945
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch.