a) In Klariden hatten sich früher von Zeit zu Zeit ein schwarzes Chüehli und ein schwarzes Hündchen auf dem Eis- und Trümmerfeld gezeigt, das die verschwundene Klaridenalp bedeckt. Die Kuh hatte stets sehr bresch, aber die Strichen des Euters, die waren nicht schön! brandschwarz! Es ging eine alte Sage unter dem Volk, wenn ein Mensch imstande sei, am Karfreitag »unterm Passion« die Kuh ganz sauber bis auf den letzten Tropfen auszumelken, ohne dabei auch nur ein einziges Wörtchen zu verlieren, der könne die zwei armen Seelen erlösen, und dann werde auch die verwüstete Alp in ihrer alten Herrlichkeit erstehen. Denn das war jedermann klar, diese zwei Tiere waren niemand anders, als der hartherzige, von seiner Mutter verwünschte Senn und seine schöne Kathry. Man hörte auch von Zeit zu Zeit (oder am Karfreitag während der Passion) eine Stimme rufen:
Chüehli Brändi und Hund Parysi
Sollet immer und ewig i Klarydä sy.
Nun wagte es einmal ein Beherzter und fand sich zur Stunde in Klariden ein. Die Kuh stellte sich ihm. Schon hatte er sie fast vollständig ausgemolken und freute sich des Gelingens. Da kam ein schwarzes Pudelhündchen, stellte sich am hölzernen Eimer auf und fing an, von der Milch zu lappen. »Nu, nu, Hundli!« brummte der Melker, und Hund und Kuh und Milch waren verschwunden.
»Chüehli Brändi und Hund Parysi
Sollet halt äbä-n-immer und ewig i Klarydä sy«,
schliesst mein Erzähler.
Daniel Imholz
b) Der Melker sagte dreimal »Hüss!« erst beim dritten Mal verschwand die Kuh.
c) Es kam eine Sau und strich dem Melker schnarchend und ihn störend um die Beine und um den Melkstuhl herum. »Hursch!« machte er, und die Kuh war verschwunden.
Josef Maria Müller, Unterschächen
d) Ein alter Mann ennet der Märcht hat erzählt, es komme alle Karfreitag eine »Hirzechüeh« (Hirschkuh) vom Klariden her, die gäbe sieben Melchteren voll Milch. Wenn sie einer schweigend sauber ausmelken würde, könnte er, ich weiss nicht was alles, erlösen. Sie würde sich stellen, und ein Hund sitze neben ihr.
Albin Loretz
e) Es müsste einer die Kuh melken, ohne etwas dabei zu denken. Ja, ja, das ist aber schwer.
Johann Aschwanden u.a.
f) Am Karfryttig underem Passion syg alligs diä Chüeh uss Klarydä uf d'Nessli ob Vorfrutt chu üsäbriäschä. Diä heig furchtbar bresch g'ha. Sibä Mälchtärä voll Milch hätt si ggä. Aber si syg furchtbar äs zäih's mälchä gsy usw.
Fr. Arnold-Arnold, Spiringen
Zwischen dem Teil der Alp Vorfrutt, der heute noch Klariden heisst und früher ein eigenes Stäfeli gewesen sein soll, und dem Klaridenfirn liegt noch ein anderer Alpteil, das Tyrälpeli.
g) Auf Blümlisalp im Schächental lebte ein Senn mit seiner Liebsten, der er aus fetten Käsen und Anken eine Stiege machte. Eines Tages kam auch seine Mutter – der Vater lebte nicht mehr – in die Alp und heischte Alpspeise für ihren Bedarf. Der Sohn gab ihr nur wenig, so dass sie am nächsten und andern Tage wieder hinaufsteigen musste. Am dritten Tage endlich sagte sie, er solle ihr doch mehr geben, dass sie nicht alle Tage zu kommen brauche, er solle ihr doch das Handbräntli füllen. »Das kann man«, sagte er und gab es ihr, nachdem er es heimlich gefüllt, zurück. Sie ging und dachte, heute habe er doch eine bessere Laune gehabt. Als sie den Deckel ablüpfte, fand sie das Bräntli mit Kuhmist gefüllt. In diesem Augenblick entlud sich über die Alp ein schreckliches Hagel- und Schneewetter. Der Senn und seine Liebste flüchteten mit dem Wellchessi auf einen Hubel und nahmen das Chessi über den Kopf. Aber das nützte nichts; sie gingen mit dem Vieh und der Alp zugrunde.
Frau v. Schattdorf
h) Klariden war einst eine prachtvoll schöne Alp. Da mussten sie dreimal im Tage melken, so viel Milch gaben die Kühe; in der Alp wuchs nämlich das Milchlikraut. Sie lebten in solchem Überfluss, dass der Senn seiner Liebsten aus Käse und Anken einen Weg machte. Einst kam des Senns Mutter etc . .... Später sah man oft eine Kuh brüllend auf dem Gletscher herum laufen, und es hiess, wer sie am Karfreitag unter der Passion schweigend ausmelke, könne den Senn und seine Liebste erlösen. »Wir haben einmal in die Gegend hinuntergeschaut, aber da meinten wir, die Kuh zu hören, und liefen voller Furcht davon.«
Kath. Kempf
i) Der Senn hiess Joder (St. Joder ist Kirchenpatron zu Unterschächen).
Jos. M. Arnold, Unterschächen
k) Der Hund hiess Poss. Die Mutter verwünschte:
»Chüehli Brändi, Hund Poss und Hüer Kathry
Sellet immer und ewig i Klarydä verdammt sy!«
In der verlassenen Alp irrten eine schwarze Kuh, ein Hund und ein Wybervolch herum. Leider kannte die Erzählerin nur verworrene Bruchstücke der Sage.
Frau Arnold-Gisler, Bürglen
Quelle: Müller, Josef: Sagen aus Uri 1-3. Bd. 1-2 ed. Hanns Bächtold-Stäubli; Bd. 3 ed. Robert Wildhaber. Basel: G. Krebs, 1926, 1929, 1945
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch.