Furt ist heute eine Ausstafel der Leutschachalp ob Amsteg, nach der Sage aber bildete es vor alten Zeiten eine Alp für sich und konnte zwei Sennten einen ganzen Sommer erhalten. Eines Abends flog ein weisser Vogel über die Alp und schrie: »Furt, furt!« Die Alpschweine stellten ihre Ohren, horchten auf, und in rasendem Galopp stürmten sie davon, talauswärts. Nicht so die Menschen mit dem übrigen Vieh; sie blieben. Am zweiten Abend erscholl der gleiche Ruf. Der Senn des einen Senntens meinte, man sollte doch die Warnung beachten und die Alp verlassen. Er wurde jedoch nur ausgelacht. Der dritte Abend, es war der Abend vor St. Jakobstag, brachte schwarze Wolken mit, die sich drohend über der Alp lagerten, und wieder erschien der weisse geflügelte Bote über der Alp und schrie mit schauerlicher Stimme: »Furt, furt!« Der eine Senn liess sein Sennten zusammentreiben und verliess mit ihm und seinen Knechten die unheimliche Alp. Ein schreckliches Gewitter brach los. Als sie auf Heitersbüel noch einmal zurückblickten, berstete gerade die Felsenwand ob der Alp, stürzte samt dem dahinterliegenden Jakobsee krachend zur Tiefe und begrub die Trift mit Menschen und Vieh unter haushohen Trümmern. Seit jener Zeit heisst diese Gegend Furt und ist nicht mehr nutzbar; den Stafel mussten sie auf die andere Talseite verlegen.
Nach anderer Erzählart ging die Stimme von einem Wildmandli oder von einem Gespenst oder Geist aus und entkam überhaupt nur ein Hirt mit einem roten Lehchüehli oder ein Stier, der einer Kuh nachlief, oder ein junges rotes Chüehli, das bis in die Arniberge hinausstürmte.
Karl Walker; Frz. Jos. Zurfluh; Ant. Brücker u.a.m.
Quelle: Müller, Josef: Sagen aus Uri 1-3. Bd. 1-2 ed. Hanns Bächtold-Stäubli; Bd. 3 ed. Robert Wildhaber. Basel: G. Krebs, 1926, 1929, 1945
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch.