a) Ein älterer Mann besass einen ungemein starken Sohn, der ihm eines Tages freudig berichtete, er habe bei seinen »Stubeten« mit vielen Gegnern gerungen, aber bis jetzt keinen gefunden, der ihm an Kraft gleichgekommen sei. Da lächelte der Vater. Als der Sohn am Abend wieder an den gewohnten Ort zu seiner Liebsten gezogen war, schlich der Alte ihm verkleidet nach und liess vor dem Hause den Herausruf ertönen. Alsogleich erschien der rauflustige Sohn und machte sich über seinen vermeintlichen Gegner her. Da zeigte sich die ungeheure Stärke des Alten, der seinen Sprössling nach kurzem Ringen warf und in die Flucht trieb. Am folgenden Morgen war der Sohn ganz niedergeschlagen. Vom Vater über die Ursache seiner Betrübnis befragt, gestand er, bis jetzt habe er geglaubt, er sei der Stärkste in der Gemeinde, und nun sei ihm letzte Nacht noch ein Stärkerer begegnet, was ihn schrecklich wurme. Lachend erklärte ihm der Vater den Zusammenhang, mit der weisen Mahnung, dass einen jungen Mann Bescheidenheit am besten ziere.
b) Die gleiche Geschichte erzählen die Isentaler von einem Mann, den ältere Leute noch gekannt haben wollen.
c) Der mittlere der bekannten drei starken Portnerbuben war ein lebensfroher Bursche. Zu Ostern ging er nach altem Brauch bei den Jungfern auf Eier los und an der Chilwi auf Chrapfen. Aber nie hätte er den Brüdern davon gegeben. Das verdross sie. Eines Abends – es war eben Ostern, und sie wussten, dass er auf Eier ausgegangen – passte ihm der stärkste von ihnen vermummt auf. Nach hartem Kampfe überwand er ihn und zerschlug ihm die Eier, die er auf dem Kopfe unter der Kappe versteckt hatte. Am nächsten Morgen klagte der Besiegte seinen zwei Brüdern: »Jetzt habe ich gemeint, hier herum der Stärkste zu sein; aber gestern abend bin ich doch auf einen gestossen, der mir über war.« Die zwei lachten heimlich, verrieten sich aber nicht.
Frau Arnold-Gisler, Bürglen; Hans Aschwanden, Isental
Quelle: Müller, Josef: Sagen aus Uri 1-3. Bd. 1-2 ed. Hanns Bächtold-Stäubli; Bd. 3 ed. Robert Wildhaber. Basel: G. Krebs, 1926, 1929, 1945
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch.