In Göschenen war ein riesenmässig starker Mann, Melk Tresch mit Namen.
Einst brachten sie einen Riesen an einer Kette aus dem Kanton Bern über den Susten nach Wassen und forderten die Urner heraus: »Wenn einer da sei, der's mit ihm probiere, so könne er kommen, sei es, wer es wolle!« In Wassen war keiner, der es wagen wollte, aber man beschickte den Melk Tresch von Göschenen, und dieser kam sogleich, als er hörte, es habe einer Uri gehöhnt und herausgefordert. Er kehrte beim Präsident Gerig in Wassen ein, und der Berner war auch in der Stube. Man stellte dem Melk Tresch eine Mass Wein auf; sogleich drückte er mit den Händen vor Wut die Massflasche zusammen wie eine Seifenblase; man stellte ihm gleich wieder eine andere hin, er trank und sagte: »Der Berner soll nun kommen!« und gleich sprang er auf selben los, drückte ihn schrecklich und warf ihn zu Boden, so dass der Riese von Bern um Pardon schrie und also unterlag.
Der Melk wurde gefragt, ob er keinen kenne, den er fürchte. Er antwortete, er kenne keinen als einen Tessiner, den er noch nie geprüft habe. Einmal ging er mit Präsident Gerig gegen den St. Gotthard, und der Welsche kam wirklich. Er war ein Säumer, und Gerig sagte zu Melk: »Packe ihn!« Melk liess sich dies nicht zweimal sagen und packte den Tessiner Riesen, und lange rangen sie miteinander, so dass es rauschte. Gerig wusste nicht mehr was anfangen, sondern wollte nach Hospental um Hilfe, denn es war ihm auch nicht recht, weil er gesagt hatte, »packe ihn«. Endlich fiel der Welsche, und Melk Tresch war Meister über alle Riesen, welche er kannte, und ging siegreich davon.
Nach anderer Erzählart beschickte der Wirt Walker einen der Männer im Riess. Der kam, wollte aber zuerst nicht recht an den Fremden geraten; es sei ihm nicht darüber. Als aber der Riese immer stärker prahlte, ergriff er ihn an der Gurgel und am Unterleib, kehrte ihn um und schlug ihn so wuchtig mit dem Kopf auf das Strassenpflaster, dass er tot blieb.
Franz Jos. Zurfluh, 75 Jahre alt, Intschi
Quelle: Müller, Josef: Sagen aus Uri 1-3. Bd. 1-2 ed. Hanns Bächtold-Stäubli; Bd. 3 ed. Robert Wildhaber. Basel: G. Krebs, 1926, 1929, 1945
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch.