Der geprellte Teufel

Land: Schweiz
Kategorie: Zaubermärchen

Ein Schuldenbäuerlein, dem die letzte Kuh umgestanden war, rannte in blinder Verzweiflung aus dem Stall ins Dorf, vom Dorf auf die Landstrasse hinaus. Martini stand vor der Tür, der Hauszins sollte bezahlt werden, wie nur, wie, wenn man den letzten Heller für Brot ausgegeben hat! Den Kopf voll schwarzer Gedanken, schlenderte er auf der Strasse dahin; der blaue Himmel und die unerschütterlichen Felswände, sie heiterten ihn auf. Ihm war, als sei etwas in der Luft, als müsste ein Wunder geschehen, etwas Grosses, Seltenes, wie schon so manchem armen Schlucker auf Erden ein unerwartetes Glück in den Schoss gefallen ist.

Kaum über das letzte Haus hinaus, teilte sich der Busch, und ein Herr begrüsste ihn freundlich und fragte ihn nach seinem Ziel.

Er hatte noch nie einen solchen Menschen gesehen, und ihm war, als risse ihn jemand herum und wieder ins Dorf zurück. Mit aller Kraft verstemmte er sich gegen diese unsichtbare Macht und klagte dem Fremden sein Elend: Keller und Speicher seien leer und entrichte er nicht den Hauszins, so werde er auf die Strasse geworfen.

«Das ist ja famos», rief der Herr durch die Nase, «dir mangelt das Geld, mir eine Menschenseele, die ich redlich verdienen möchte! Gibst du mir Arbeit, die ich in einem Tag bewältige, so ist deine Seele mein. Bringe ich sie nicht fertig, so ist diese Börse dein. Fang sie auf, und steck sie in den Gürtel! Streif dein Bettelwams ab und benimm dich wie ein Gebieter! Wer das Geld hat, hat die Gewalt, die Tat, das Wort, die Armen müssen gehorchen.» Dermassen schwatzte er ihm die Ohren voll, und von dem Glimmer des teuflischen Blickes und dem Geklingel im Beutel verführt, besann sich der Bauer nicht eine Minute, obschon er an dem Pferdefuss und dem schwefligen Atem jetzt auch den Stand und die Herkunft des Versuchers ermessen konnte. «Her mit dem Beutel, ich will dir Arbeit schaffen, und vollendest du sie in einem Tag, so bin ich dein Knecht!»

In kühler Frühe gingen sie zusammen vor das Dorf hinaus, in die unermessliche Einöde, die von der Zeit her, als der Fluss noch freie Bahn hatte, eine unhabe Wildnis geblieben war. Nichts als Tümpel, Birken und Erlenstauden, Berberitzensträucher und Schlinggewächs, so weit der Blick reichte. Kein Volk wäre imstand gewesen, die Wüstenei in einem Jahre, sage an ein und demselben Tage zu roden und umzugraben.

«Ackere mir das Gelände!» begehrte er und liess den Teufel stehen. Gegen Mittag ging er hinaus und prüfte, wie weit das Werk vorgeschritten sei. Erschauernd fuhr er sich an die Kehle, starrte und glotzte in die braune duftende Ackerkrume. Wo sind die Birken und Erlengehölze, die dunklen Lachen und das Wirrnis von Dornen und Brombeergerank? Furche reihte sich an Furche, und in Schwärmen pickten und scharrten die Krähen und hielten Festtag. Weitab, fast am Ende der Wüste, war ein Zipfelchen Brachland übriggeblieben, ein Rest, den der Gehörnte im Handkehrum erledigt.

Bedrückt schlarpte er dem Dorfe zu und trocknete den kalten Schweiss auf der Stirne. «Was fehlt dir», sagte ein Hutzelweibehen, das er noch nie gesehen, «hast du Dornen verschluckt?»  «Besser wäre, ich hätte sie gefressen als der andere», erwiderte er gehässig, und da ihm schien, das Fraueli könnte ihm vielleicht aus der Patsche helfen, beichtete er rundweg sein Ungemach.

«Geh nur gesatzlich nach Hause, und setz dich zu Tisch! Hat der Teufel den Acker bestellt, so soll er Mittagsrast halten, und dann befiehl ihm, schwarze Wolle weiss zu waschen, die Klaue ins Weihwasserkesselehen zu tunken, rauf dir ein Haar aus dem Schädel und gebiete, die Borste kerzengerade aufzurichten. Das sind drei Dinge, von denen eines allein ihm genug zu schaffen gibt. Schau dann, wie er sich räuspert und windet!» «Im Schwick ist es geschehen, ich weiss, was der Kerl Ieistet.» «Tu, was ich dir heisse, und es wird dich nicht gereuen!» Die Alte nahm eine Prise und schlurfte davon. Dem Weib ist nicht zu trauen! Vielleicht hat sie selber des Teufels Blut in den Adern. Den Bauern fröstelte, obschon noch die Bienen summten, die Dachplatten schwitzten vor Hitze, das Wasser im Bach den Lauf und Atem verloren hatte.

Als die Mittagsglocke verhallte, trat der Teufel in die Stube, seine Augen schlitzend und ein grünes Feuer sprühend. «Das Gelände ist beackert», näselte er, «geh aufs Land und überzeuge dich von der Güte meiner Arbeit!»

«Gönne dir eine Stunde Rast, wie es bei uns Brauch ist!» Der Bauer bückte sich auf seine Schuhe, um die Angst zu verbergen. Als die Tür zuklappte, riss er das Fenster auf und schnappte nach Luft. Dann ging er auch, ragelte um die Häuser, auf die Wiesen hinüber, rang die Hände zum Himmel empor und flehte um einen guten Rat, um eine Eingebung, um eine Arbeit, die den schlauen Feind über den Abend hinaus in Atem hielte. «Base, du kommst mir eben recht», rief er, sich aufraffend, «stell deine Bürde ab, hör und hilf mir! Hier hast du ein Goldstück!» Auf Umwegen gestand er ihr, wie schlimm es um ihn bestellt sei. Könne er dem Teufel nicht Arbeit verschaffen, so sei er verloren. Die Base spuckte auf das Gold und schmiss es auf die Strasse. Schon war sie weg und verschwunden.

Wie vor den Kopf geschlagen, taumelte er ins Haus und warf sich über die Bank. Schwarze Wolle habe ich nicht, das Weihwassergeschirr ist ausgetrocknet, bliebe noch das Haar zu probieren. Müde und ergeben erhob er sich, als es klopfte, in Gottesnamen, er versuchte es mit dem letzten, und dann fahr wohl, schöne Welt! «Hier hast du Beschäftigung!» sagte er zum Teufel. «Richte das Haar bolzgerade, ohne es zu brechen, und ist es getan, so weiss ich nichts mehr.»

Schmunzelnd setzte der Satan sich zurecht, fasste das Haar mit Daumen und Zeigefinger schob die Schultern hin und her, wie einer, der eine feine Nadel einfädeln will, spuckte in die Hand, glättete und dengelte, schmeichelnd, röchelnd, fletschend; je länger er daran herumbastelte, umso widerspenstiger krümmte es sich, rollte sich zusammen und zerbrach.

Mit todernster Miene stand der Bauer gegenüber, strackte sich ob den vergeblichen Bemühungen des Teufels, lächelte, schnalzte und bog sich vor Lachen. Der Geprellte aber fluchte und polterte: «Stoss du der Hexe, die dir den Rat gegeben, das Haar in den Rachen!» schoss davon und liess einen so entsetzlichen Gestank zurück, dass der Mann beinah den Geist aufgegeben hätte.

 

Quelle: Johannes Jegerlehner: Walliser Sagen, Hans Feuz Verlag Bern, 1959

Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch.

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