Bei Ebersoll ist ein Brücklein, unter dem eine neckische Nymphe sitzt. Sie lässt keinen Wanderer ungestört vorüberziehen; doch meint sie's mit ihm nicht böse.
Hans Jörg ging oft diesen Weg zu seiner Verlobten. Doch wenn er zum Brücklein kam, nahm ihm die Nymphe die Mütze weg; wenn aber Hans Jörg am Morgen den Heimweg antrat, bekam er beim Brücklein die Mütze schön gewaschen und geglättet zurück. Hatte er aber ein junges Neis auf die Mütze gesteckt, so bot ihm's die Nymphe dar, dass er's seiner Braut bringe.
Eines Abends kam er wieder mit den ersten duftenden Rosen. Der Bach rauschte lauter als gewöhnlich. Die Nymphe nahm ihm diesmal die Mütze samt den Rosen weg und gab ihm diese nicht, wie sehr er sie auch bat.
Traurig ging er weiter und kam vor das Haus seiner Geliebten. Die Türe war geschlossen; ein anderer war bei ihr — sie war ihm untreu geworden. Er kehrte um, empfing seine Mütze beim Brücklein wieder und wanderte in die weite Welt hinaus.
Nach einem Gedicht von K. Steiger. (Durch Fritz Grob.)
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In Brunnadern lautet die Sage etwas anders. Der Giessen kommt aus dem Walde, ein sicherer Steg führt darüber. Einst wohnte ein Nixchen im Bache; das hielt jeden Wanderer an, nahm ihm die Kappe und eilte frohlockend damit fort. Kehrte aber der Wanderer auf dem gleichen Wege zurück, so fand er seine Kappe schön und rein gewaschen am Stege wieder. Auch ein Jüngling machte oft den Weg, wenn er abends zur Geliebten ging; stets gab er gerne der Nixe die Kappe, und stets empfing er sie sauber zurück. Hatte er sie mit schönen Blumen geziert, welche er für die geliebte Braut bestimmt, so liess ihm die Nixe die Blumen; nur die Kappe nahm sie immer. Eines Abends kam er wieder über den Steg mit prächtigen Rosen auf der Kappe; aber das Wasserfräulein nahm ihm diesmal Rosen und Kappe. Betroffen wanderte der Jüngling weiter. Sein Unheil ahnendes Herz betrog ihn nicht. Heute kam ihm die Geliebte nicht liebevoll entgegen, und als er ins Haus trat, erklärte sie ihm, dass sie nichts mehr von ihm wissen wolle. Da kehrte er zum Stege zurück, nahm seine Kappe, drückte sie sich tief ins Gesicht und wanderte weit fort in die Fremde.
H. Herzog, Schweizersagen.
Quelle: Sagen des Kantons St. Gallen, Jakob Kuoni, St. Gallen 1903, Nr. 460, S. 275
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch.