Vor vielen hundert Jahren kamen die "Vineder" ans Schnebelhorn, um Gold zu suchen. Das waren kleine Männchen, die stammten aus Venedig. Das Golderz verpackten sie in Sacke und brachten es nach Italien, wo dann das lautere, glänzende Metall daraus geschmolzen wurde. Den Eingang zum Bergwerk wusste niemand als die Goldgräber selbst; denn sie hielten ihn streng geheim und streuten allerlei böse Gerüchte aus von Ungeheuern, welche da oben ihr Wesen treiben.
Diese "Vineder-Manuli" waren Heiden. Wenn eines von ihnen starb, wurde ein tiefes Grab gemacht. Der Verstorbene kam aufrecht in die Grube zu stehen. Sie glaubten, der Tote müsse ins Jenseits eine grosse Reise über einen sehr breiten Fluss antreten. Daher legten sie dem Dahingeschiedenen eine Münze auf die Zunge. Diese war für den Fährmann bestimmt, der ihn in einem Schiffchen in das Land der Toten fahren müsse. In die rechte Hand erhielt er ein Stück Brot, damit er auf der langen Reise nicht Hunger leide.
Die Mannli sind verschwunden; aber das Goldloch ist noch zu sehen. Die neugierigen Menschen haben es längst entdeckt.
Von der Schnebelhornspitze gelangt man in südlicher Richtung auf schmalem Pfade dahin. Der Eingang ist im Gebüsch versteckt. Er ist beinahe mannshoch und durch eine eiserne Türe abgeschlossen. Diese trägt die Aufschrift S. A. C. 1890.
Wer Lust hat, in das Loch hinunterzusteigen, der geht zum Schnebelhornwirt. Der freundliche Mann holt bereitwilligst den Schlüssel und begleitet uns. Der Riegel knarrt, die Türe springt auf, und mit der brennenden Kerze oder mit der Laterne in der Hand geht es hinunter in die Unterwelt.
Die erste eiserne Leiter hat 44 Sprossen und führt uns durch einen senkrechten Schacht. Hierauf folgt in westlicher Richtung ein Stollen von etwa 10 Meter Länge und dann wieder ein Schacht, in welchen eine Leiter mit 18 Sprossen hinabführt.
Dort unten ist Wasser von beträchtlicher Tiefe. Da soll früher ein Ungeheuer gehaust haben. Dieses löschte dem Verwegenen, der da hinabstieg, das Licht aus. Jetzt ist es gebannt, vielleicht gar tot oder verschwunden; ohne alle Gefährde steigen wir in die Tiefe und wieder herauf ans Tageslicht. Siehe Das Goldloch
C. Huber.
Quelle: Sagen des Kantons St. Gallen, Jakob Kuoni, St. Gallen 1903, Nr. 452, S. 267
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch.