Es ist mir, als sei es gestern gewesen, dass der alte Nef, unser Nachbar, vom Tuutier erzählte. Jeden Abend kam er zu uns "zu Spinni"; dann setzte er sich an den Tisch, holte sein Pfeifchen hervor, an dessen Beisser er einen Hosenknopf angebracht hatte, damit er es mit seinem zahnlosen Munde besser halten konnte; die Grossmutter setzte sich zum Spinnrad, die Mutter flickte die Kleider, wir alle lauschten den Worten des Alten.
Es seien einst sieben böse Buben gewesen, diese seien verwünscht worden und müssen nun zur Strafe in sieben Gestalten und siebenerlei Geschrei an vielen Orten unserer Gegend als Tuutier geisten. Dieses hat die Gestalt eines dreizipfligen Laubsackes oder einer weissen Ziege; dann erscheint es als Hund, als Schwein, als Katze, als Vogel ec., allemal mit dem entsprechenden Geschrei des betreffenden Tieres. Als einmal der alte Nef nachts von uns weg nach Hause ging, begegnete ihm hinter unserm Hause ein grosses Schwein, welches laut grunzte. Er glaubte, unser Schwein sei ausgekommen, weil wir zu dieser Zeit ein ähnliches besassen. Nun kehrte er zurück und machte Anzeige. Unser Schwein aber war wohlbehalten im Stalle; in der ganzen Nachbarschaft wurde kein solches vermisst. Nef ging ein andermal aus der Laue nach Hause. Bei den Ahornen in der "Dicket" seien ihm so viele "Wickvögel" vor die Füsse geflogen, dass er nicht mehr fortschreiten konnte. Die Vögel schrieen immer: "Wie witt, wie witt!" Da fasste er Mut, überschlug einige derselben und sagte: "Ihr strohls Narre, hei will i!" Nun stuben die Vögel auseinander, und es entstand ein Brausen und Toben im Eggliswald, dass man hätte meinen mögen, die ganze Welt werde zerfallen. Die "Dicket" war ein Lieblingsaufenthalt des Tuutiers. Der "Choche Liess" sei einmal in seiner Hütte in der "Dicket" gewesen. Es brach ein sonderbares Geschrei los, und ein dreizipfeliger Laubsack legte sich auf das Hüttentürchen. Der Mann tat, als ob er nichts merke, worauf sich der Laubsack davonwälzte, wie er gekommen. Beim alten Hüttli im Türli sei einmal eine weisse Ziege gestanden. Die Ziege wurde immer grösser und grösser und verschwand plötzlich. Der "Melcherlis Bueb" behauptete, es sei keine rechte Geiss gewesen. Der "Gällelis Bueb" sei einmal "zu Stubeten" gegangen. Auf der Brücke zwischen "Seinis" und "Sessen Uelis" lag ein grosses Schwein quer auf derselben und versperrte ihm den Weg. Er tat einen gewaltigen "Juck" über das Ungetüm; am andern Tage aber war er im ganzen Gesichte geschwollen und bekam einen hartnäckigen Ausschlag, welcher vom Tuutier verursacht worden sein soll. Nikolaus Bollhalder im Kühboden hat mir auch erzählt, er sei einmal nachts über das "Drecktöbeli" gegangen. Auf dem "Brüggle" legte sich ein grosser Pudelhund ihm vor die Füsse; er habe an jener Stelle nicht hinüberkommen können.
I. Hell.
Quelle: Sagen des Kantons St. Gallen, Jakob Kuoni, St. Gallen 1903, Nr. 423, S. 249
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch.