Graf Rudolf von Rapperswil ritt eines Morgens auf die Wolfsjagd nach dem obern Zürichsee. Unversehens sah er sich in seinem Eifer plötzlich von seinen Gefährten getrennt, als ein grosser Wolf auf ihn zueilte, den aber ein wohlgezielter Pfeil glücklich niederstreckte. Nun sprang die Wölfin mit zwei Jungen herbei, den Tod ihres Genossen zu rächen. Ein hitziger Kampf entspann sich, in welchem der Graf unterlegen wäre, wenn nicht der Himmel selbst rasche Hilfe geschickt hätte; ein mächtiges Gewitter trat ein, der Blitz schlug in den nächsten Baum und warf ihn zersplittert zu Boden, womit die Tiere in die Flucht geschlagen wurden.
Aber auch der Graf war bewusstlos niedergesunken. Als er sich wieder erholte, hatte er kaum noch so viel Kraft, sein Pferd zu besteigen; nun war auch die dunkle Nacht hereingebrochen. Kein Pfad war zu finden, kein Licht zu sehen; aber aus den Wäldern her ertönte schauerlich das Geheul der Wölfe. Der Graf sprach ein brünstiges Gebet und gelobte, an der Stelle ein Kloster zu bauen, wenn ihm aus dieser Not geholfen werde.
Nun hörte er das Rieseln eines Bächleins, ritt dem Tone nach und kam an die Seebucht, wo einige Fischerkahne lagen. Dort fand er freundliche Leute, die ihn bewirteten und schützten, bis der Morgen kam. Der Graf war gerettet und hat hernach, seinem Versprechen gemäss, das Kloster gegründet, das im Laufe der vielen Jahrhunderte reichlichen Segen gestiftet.
P. Guler.
Quelle: Sagen des Kantons St. Gallen, Jakob Kuoni, St. Gallen 1903, Nr. 410, S. 237
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch.