Ein österreichischer Ritter wurde von den Schweizern im Kriege gefangen genommen und zu Wallenstadt in den Turm gelegt. Schon war über ihn das Todesurteil gesprochen. Eilig machte er seiner Geliebten davon Meldung und bat sie, unverzüglich herbeizueilen und ihn loszukaufen. Diese kam nach Weesen, fand aber den See so stürmisch, dass kein Schiffer die Fahrt wagen wollte, wie sehr sie bat und flehte und wie hoch der Lohn war, den sie bieten konnte. Sie selbst stürzte sich in einen Kahn und wollte vom Ufer abstossen.
Das rührte die Schiffer; sie schleppten die Kisten mit dem Silber und Gold herbei und wagten die gefährliche Fahrt. Der Ritter aber bestach seinen Wächter, dass dieser ihn auf die Zinne des Turmes führte, von wo aus sie das Schiffchen über den See herauffahren sahen. Zehn Schiffer kämpften den Kampf mit den ungestümen Wellen. Umsonst, das Fahrzeug wurde an einen Felsen geschleudert und versank mit seiner ganzen Ladung. Als Ferdinand dieses sab, stürzte er sich vom Söller in die Tiefe hinunter in den freiwilligen Tod.
Heute noch sieht man ihn zuzeiten am Gestade des schönen Sees traurig auf- und abgehen; sehnsüchtig schaut er über die weite Wassersfläche hin. Dann steigt aus den Wellen auch das Fräulein empor in einem reichen, blauen Kleide. Sie strecken die Arme gegeneinander aus, können aber nicht zusammenkommen. Die Schiffer, die es sehen, sprechen ein stilles Gebet für die armen Liebenden, aber auch für sich selbst; denn die Erscheinung der beiden kündet einen nahenden Sturm an, der auf dem Walensee leicht gefährlich wird. Nach J. M. Usteri
Quelle: Sagen des Kantons St. Gallen, Jakob Kuoni, St. Gallen 1903, Nr. 372, S. 210f
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch.