Vor langer Zeit lebte einmal ein König, dem war die Frau gestorben. Die verstorbene Königin besass jedoch goldene Pantoffeln. Als nun der König wieder heiraten wollte, liess er folgendes verkünden: Die Frau, der die goldenen Pantoffeln der Königin passen, werde ich heiraten.
Jetzt hatte der König aber eine Tochter, die hiess Curia. Einmal ging sie in die Kammer ihrer verstorbenen Mutter, schlüpfte in die goldenen Pantoffeln und sie passen genau. Da geht sie zum König und fragt: „Lieber Vater, schenkst du mir die goldenen Pantoffeln.“
Der König aber schaut seine Tochter an und sagt: „Du bekommst die Pantoffeln, aber nur, wenn du meine Braut wirst. Dies ist ein Befehl!“ Die schöne Curia erbleichte, als sie dies hörte und in ihrer Not floh sie zu ihrer Patin.
Diese lebte in einem grossen Palast mit zahlreichen Dienern. Sie gab der Königstochter die Kleider einer Magd, damit niemand sie erkennen konnte und liess sie die Hühner füttern und die Schweine hüten.So verging eine lange Zeit.
Einmal lud die Patin zu einem Ball ein. Für Curia hatte sie drei schöne Kleider machen lassen, damit sie mittanzen konnte. Zu dem Ball kam auch ein junger Königssohn, der sah die schöne Curia in ihrem himmelblauen Kleid und wollte den ganzen Abend nur mit ihr tanzen. Sie aber fürchtete erkannt zu werden, und so liess sie ihren Ring fallen, und während sie sich bückte, um ihn aufzulesen, floh sie ungesehen aus dem Ballsaal und versteckte sich im Hühnerstall.
Am zweiten Tag traute sich Curia nicht mehr, zum Ball zu gehen, doch die Patin gab ihr das zweite Kleid, darauf waren der Mond und die Sterne zu sehen. Kaum hatte der Königssohn sie erblickt, sprang er auf sie zu und tanzte mit ihr den ganzen Abend. Auch diesmal liess sie den Ring fallen, und obwohl der Königssohn ihre Hand hielt, floh sie unerkannt aus dem Ballsaal.
Am dritten Tag gab ihr die Patin das dritte Kleid, das Sonnenkleid, und als sie den Ballsaal betrat, nahm der Königssohn sie bei der Hand und fragte: „Schönste Prinzessin, bitte sag mir deinen Namen!“
„Curia heisse ich, schöne Curia“, und nach diesen Worten sprang sie, so schnell sie konnte aus dem Ballsaal, um sich wieder zu verstecken. Der Königssohn ging ihr hinterher, doch er konnte sie nirgends finden. Er wurde von Tag zu Tag trauriger und vor lauter Sehnsucht nach Curia wurde er schliesslich krank. Die Patin besuchte ihn und wollte ihm ein Glas mit Wasser geben, doch er sprach: „Ich werde keinen Schluck Wasser trinken, es sei denn, die schöne Curia mit dem Ring kommt zu mir!“
Da liess die Patin Curia rufen. Curia zog ihr schönsten Kleid an, das Sonnenkleid und als sie vor dem Königssohn stand, schien es als ginge die Sonne auf.
So wurde die schöne Curia die Braut des Prinzen und sie lebten in Freude und Glück.
Fassung Djamila Jaenike, nach "Curia, schöne Curia", in: C. Decurtins/U. Brunold-Bigler/K. Widmer, Die drei Hunde, Rätoromanische Märchen aus dem Engadin, Oberhalbstein, Schams, Chur 2004