Der Schatz im Wolfensberg
Zu den Zeiten der Hagheeren stand auch beim Bad Wolfsberg oberhalb Bauma ein Bürglein, das den sanktgallischen Dienstmannen von Wolfensberg gehörte. Aus unbekanntem Grunde ist diese Burg schon in alten Zeiten zerfallen.
Die Alten erzählen, vor Zeiten habe man noch in den Keller der ehemaligen Burg hinabsteigen können. Einige Burschen, die das einmal taten, fanden dort ein grosses Fass mit starken Reifen. Eilig gruben sie weiter, aber je weiter sie gruben. desto weiter versank das Fass. Das kam den Burschen nicht geheuer vor, und sie machten sich davon.
Noch früher ging die Sage um, in dem Keller der Burg liege ein goldener Pflug verborgen, und eine Schlange müsse ihn bewachen. Ein Hirt, der bei der Ruine Ziegen hütete, bemerkte einst eine weisse Jungfrau in dem Gemäuer herumgehen. Die Jungfrau redete den Burschen an und sagte ihm, dass sie die Tochter eines Ritters von Wolfensberg sei, die seit Jahrhunderten Schätze hüten müsse, aber nur alle hundert Jahre in ihre lebendige Gestalt zurückkehren dürfe. Allemal dann könne sie erlöst werden, wenn ein Jüngling den Mut finde, sie dreimal zu küssen, was noch keiner imstande gewesen sei. Der Bursche, von der Schönheit der weissgekleideten Jungfrau überwältigt, küsste diese, ohne sich zu besinnen. Die Schöne lächelte traurig und sprach: „Nun musst du mich auch küssen, wenn ich als Schlange an dir heraufkrieche!“ Alsobald wand sich eine abscheuliche Schlange an ihm empor. Aber als der grässliche Kopf vor seinen Lippen auf den Kuss wartete, ergriff ihn der Ekel, und er schleuderte das Tier von sich. Was ihn die Beine trugen, rannte er talwärts‚ während hinter ihm Schluchzen und Wehschreie ertönten.
Quelle: K. W. Glaettli, Zürcher Sagen 1970, Oberland
Umstilisiert aus Fr. 12. 7. 1924 und Studer, S. 28. Wolfensberg, links der Töss, südöstlich Bauma. 1556 standen noch Ruinen.
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch.