Die drei Buchen am Uetliberg
Der Burgplatz der Manegg, wo die Manesse hausten und ihre Minnelieder ertönen liessen, ist eine vielbesuchte Stätte geblieben, wo das Auge sich an der herrlichen Aussicht auf Stadt, See und Gebirge erfreut. Dabei denken manche an die Zeiten, da die Burg noch zu Tal grüsste; wenigen aber ist es bekannt, wie einer ihrer Besitzer in der Nähe von drei Buchen, die noch vor wenigen Jahrzehnten gezeigt wurden, eine schwere Schuld sich auflud, deren ihn noch lange das arme Opfer anklagte. Wenn ein Gewitter am Himmel stand und der Donner rollte, schlug bei den Buchen - auch bei Regen - ein helles Feuer empor, und beim Leuchten der Blitze sah der Wanderer eine weisse Gestalt, die mit aufgelöstem Haar verzweifelt sich in die Brust schlug, die Hände rang, dabei die starren Blicke auf die Manegg gerichtet. Es soll dieses ruhelose Wesen der Geist eines schönen, unschuldigen Mädchens gewesen sein, das, in einem nahen Bauernhause wohnend, auf seinen Gängen nach der Stadt dem jagenden Schlossherrn oft begegnet und von ihm mit liebkosenden Worten betört worden sei. Bei den drei Buchen fand die Arglose den Verführer wieder und beim süssen Minnespiel wurde die Arme um ihre Ehre betrogen. Mit eisiger Kälte wich er ihr von nun an aus, und heiligen Schwüre von Treue und Ehe, mit der er ihre Sittsamkeit eingeschläfert, hatte der Wind zerstreut. Da wagte sie einst in namenloser Angst sich vor das Tor der Burg zu setzen, hoffend, durch den Anblick ihres Leidens einen Funken von Liebe und Mitleid in der Brust des Frevlers zu erwecken. Aber mit höhnischem Gelächter hetzten rohe Knechte die Hunde auf das unglückliche Mädchen, das wie ein gescheuchtes Wild zu den Buchen eilte, die stummen Zeugen ihres Glücks und seiner Schwüre verwünschend. Dort wich ihr guter Geist von ihr, so dass sie in wilder Verzweiflung Hand ans eigene Leben legte, und in ungeweihter Erde fand sie daselbst ein frühes Grab, aus dem sie erstehen musste, so oft die Donner des Himmels, die Vorboten des Weltgerichtes, in ihre Ruhestätte drangen.
Quelle: K. W. Glaettli, Zürcher Sagen 1970, Stadt Zürich und Zürichsee
Stauber, S.44, wörtlich; Meyer v. K., S. 6; Baur, Nr. 1.
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch.