In der Taminaschlucht habe ein Kobolt gewohnt. Diese Sage verdankt ihre Entstehung folgender Erzählung eines Gemsjägers: Er sei eines Abends beim Zunachten im Begriffe gewesen, auf dem Heu in einer Scheune des Gutes Gigerwald zu übernachten, als in der Tiefe ein gellender, Mark und Bein durchdringender Schrei ausgestossen worden. Einen Augenblick, und der gleiche Schrei habe sich schon näher und dann wieder nach einem Augenblick hart an der Scheune wiederholt. Jetzt sei dem Jäger nicht mehr wohl zu Mute gewesen. Er habe nach dem Stutzer gegriffen, um fortzugehen. Als er die Leiter heruntergestiegen, sei er vom Berggeist bei den Haaren ergriffen und mit Blitzesschnelligkeit durch die Lüfte davongetragen worden. Er habe in dieser Not und Gefahr die drei heiligsten Namen angerufen, worauf der Kobolt ihn fallen lassen. Als er endlich den Weg nach Vättis gefunden, sei er von dem Geiste wieder geneckt und irregeführt worden. Bald sei er hinuntergekommen an die Tamina, bald hinauf bis an die Felswände und so im Zickzack auf und ab die ganze Nacht bis am Morgen, wo er körperlich und geistig erschöpft und triefend vor Angstschweiss ankam. Dieser Taminageist habe vielfältig auch noch andern Spuk getrieben, namentlich im Gigerwald, so dass auf diesem Gute bis in die neuere Zeit niemand nachts zu schlafen wagte.
"Oberländer Anzeiger."
Quelle: Sagen des Kantons St. Gallen, Jakob Kuoni, St. Gallen 1903, Nr. 231, S. 114f
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch.