Zur Zeit, als der Vättnerberg noch bewohnt war, stand in der Spina ein Haus - das Fundament ist jetzt noch sichtbar. Vater und Sohn waren eifrige Gemsjäger. Auf dem Vättnerberg lebte ein nicht minder eifriger Jäger. Letzterer war ein Schwarzkünstler, d. h. mit dem Bösen im Bunde. Ihn konnte keine Kugel verwunden, ausser eine silberne, die während einer heiligen Messe unter das Altartuch gelegt worden war und zu deren Beförderung man Dreifaltigkeitssalz unter das Pulver mischte.
Da die Spinajäger der Aufforderung des Bergers, sein Gebiet nicht mehr zu betreten, keine Folge leisteten, beschloss er, den einen von beiden aus der Welt zu schaffen. So geschah es auch. An einem Herbsttage fand man den Sohn nach langem Suchen in den Vättnerbergfeeden tot. Eine Kugel hatte ihn in die Brust getroffen. Der Volksmund sprach von Mord, und auch der Name des Mörders wurde genannt; allein ein Beweis für eine Schuld konnte nicht erbracht werden.
In seinem Schmerze schwur der Vater blutige Rache. Nur zu häufig war er jetzt auf dem Vättnerberge anzutreffen. Seine Waffe war mit der silbernen Kugel geladen. Sie hat das Ziel nicht verfehlt.
Auf dem Todbette hat der Vater bekannt, wie er in der gleichen Grashalde, in der sein Sohn umgekommen, den Widersacher beim Ausweiden einer Gemse überrascht, zum Bekenntnisse seiner Tat gezwungen, erschossen und dessen Leichnam in die schauerlichen Abgründe des Radeintobels gestürzt habe.
Obwohl er geglaubt habe, im Recht zu sein, habe er keine ruhige Stunde mehr gehabt; denn das böse Gewissen habe ihn fortwährend geplagt.
L. Jäger.
Quelle: Sagen des Kantons St. Gallen, Jakob Kuoni, St. Gallen 1903, Nr. 224, S. 111f
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch.