Auf Ladils wurde das "Molken" in einem eine kleine Strecke von der eigentlichen Alphütte entfernten Gemache untergebracht. Die Gegend heisst heute noch "Käsgaden".
Der Senn hatte den Schlüssel zu demselben und legte ihn allabendlich an die gleiche Stelle in der Hütte. Nun kam es öfters vor, dass nachts jemand über den "Stofel" in Holzschuhen "daher-schlarpete", in die Hütte kam, den Schlüssel zum "Käsgaden" nahm und sich in gleicher Weise wieder entfernte. Die Hirten bekreuzten sich und waren froh, dass ihnen kein Leid geschah. Nach einer Viertelstunde näherte sich das Gespenst in der gleichen Gangart wieder der Hütte und hing den Schlüssel an den bestimmten Ort.
Ein frommer Klostermönch in Pfäfers hatte von diesem seltsamen Vorkommnis Kenntnis erhalten und beschloss, der Sache näher auf die Spur zu kommen. Ganz unverhofft begab er sich an Fronfasten nach Ladils, um dort zu übernachten.
Der Klostermönch war früher Pfarrherr in Vättis gewesen und hatte die Schafe und die Böcke genau kennen gelernt. Dem Sennen kam die Ankunft des frommen Mannes sehr ungelegen.
Um Mitternacht hörte man das Gepolter des "Schlarpi" auf dem "Stofel". Der Mönch stand auf, begab sich unter die Hüttentüre und stand dem Dieb gegenüber. Mit kräftiger Stimme rief er: "Wandle nach deinem Tode so lange auf dem "Stofel", bis du die ganze Schuld bezahlt hast!" Der "Schlarpi" wollte nämlich in jenen Nächten im Einverständnisse mit dem Sennen mehrere Käse und verschiedene Butterballen aus dem "Käsgaden" entwenden. Der Mönch hatte seinen Fluch gesprochen und der Himmel ihn gehört.
Kaum hatte der Dieb den Mönch erblickt, so sprang er, so schnell ihn seine Füsse tragen konnten, den Alpsäss hinein, den steilen Bergabhang über den unwegsamen Pfad hinunter dem zwei Stunden entfernten Heimatdorfe zu.
Er legte sich zu Bett, und in einigen Tagen wurde er als Leiche aus dem Hause getragen.
Als ein böser Geist spukt der "Schlarpi" noch auf Ladils; doch schadet er nicht, wenn die Sennen vor dem Schlafengehen den Alpsegen sprechen.
L. Jäger.
Quelle: Sagen des Kantons St. Gallen, Jakob Kuoni, St. Gallen 1903, Nr. 223, S. 110f
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch.