Es war im Jahr 1038, als Karl von Hohenbalken, Jäger des Gotteshauses, auf die Jagd zog. Auerhähne und Waldhühner zu erlegen, mochten seine Gedanken und Wünsche sein. Sieh, da wurde aber sein mitleidig Herz erregt, ein Leben zu erhalten, statt ihm den Tod zu bringen. Ein Täubchen, für jeden Bewohner des Klosters ein heiliger Vogel, wurde vom schwarzen Rabenvolke, welches die Taube von der Arche Noahs her hassen soll, mit grimmigem Geschrei und Gekrächze verfolgt. Er eilte dem Schwärme nach, lief in den Wald hinein, in die Tiefen hinab, in welchem das Täubchen das Opfer seiner Feinde werden sollte. Die verfolgte Unschuld zu retten, das liebe Täubchen dem Tode zu entreissen, war jetzt sein einziger Gedanke; jede andere Beute hatte er gänzlich vergessen. In diesem Eifer übersieht er ganz und gar, wie er selbst in der grössten Lebensgefahr schwebt. Er kommt so weit in die schwindlige Tiefe hinab, dass er plötzlich den Dampf gewahr wurde, welcher aus dem gähnenden Schlünde emporstieg. Als er das Täubchen in Sicherheit gebracht, liess er sich an Stricken hinab und sah das blutwarme Wasser aus den Felsenritzen hervorsprudeln.
Es war der schöne Lohn seines edlen Herzens, wenn er "aus besonderer Gnade und Mildigkeit Gottes, menschlichem Gebrauch zu Nutz und Frommen, das sehr edel, köstlich und heilsam Wasser entdeckte," ohne noch zu ahnen, wie "viel unaussprechlicher Wirkungen es hat."
(Euler.)*
Die beiden Klosterjäger Vils und Thuoli von Vilters werden von den einen als seine Jagdgenossen und Begleiter genannt; wahrscheinlicher aber ist es, dass sie erst 200 Jahre später gelebt und 1240 oder 1242 bei der Verfolgung eines Wildes die Quelle, die bis dahin nicht gebraucht, vielleicht gar vergessen worden war, wieder gefunden haben.
M. Klotz, St. Galler-Blätter 1900.
Quelle: Sagen des Kantons St. Gallen, Jakob Kuoni, St. Gallen 1903, Nr. 207, S. 100f
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch.