Südwärts der Burg Wartau zieht sich unterhalb der Mauer ein Weg um den Burgkopf herum. An einem heiligen Karfreitag spazierte der alte Weber Graf um die Burg her und sah zu seinem grossen Erstaunen ein seidenes Tuch gespreitet, bedeckt mit dem prächtigsten Weizen. Anstatt den Hut oder den rechten Schuh daraufzuleqen lief er schnell nach Hause, um einen Sack zu holen. Bei seiner Rückkehr war das Tuch verschwunden.
Eine Bauernfrau fand in der Nähe des Schlosses ein schneeweißes Leintuch voll köstlichen Weizens. Die Frau lief ins Pfarrhaus nach Gretschins, dort anzufragen, ob sie Weizen auf der Dörre hätten. Der Geistliche erklärte ihr, dass dieses Tuch nur alle hundert Jahre einmal erscheine. Wer das Glück hätte, es sofort mit allen vier Zipfeln zusammenzubinden und den Weizen mit nach Hause zu nehmen, für den entstünde aus jedem Weizenkorn ein funkelndes Goldstück. Man kann sich denken, wie schnell die Frau zur Stelle zurückeilte, um den Rat des Geistlichen zu befolgen - aber leider war alles verschwunden.
Arbeiterinnen, aus dem Weinberg zurückkehrend, fanden das Tuch mit Weizen. Eine nahm davon einige Körnlein in die Tasche. Andern Tags hatten sie sich in lauter Goldstücke verwandelt. Schnell und voll Freude wollte sie zum Tuch zurückkehren, um ihren Schatz zu mehren; aber zu ihrem Leidwesen war es verschwunden.
Ch. Berger
Quelle: Sagen des Kantons St. Gallen, Jakob Kuoni, St. Gallen 1903, Nr. 163, S. 77f
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch.