Unweit Salez liegen auf einem aussichtreichen Fels die Trümmer des alten Schlosses Forsteck, von dem nur ein Turm mit gewaltigem Mauerwerk noch vorhanden ist. Einst gehörte er den Herren von Hohen-Sax, deren Stammburg beim nahen Pfarrdorfe Sax gelegen war. Sollte einer seiner Besitzer aus dem Leben scheiden, so löste sich am Berge ein mächtiger Fels und rollte, alles niederschlagend, mit fürchterlichem Gepolter in den Vorhof der Burg.
Als einmal ein junger Freiherr von Sax im nahen Walde jagte, bemerkte er plötzlich eine Höhle, in welche er neugierig eintrat. Nachdem er mehrere hundert Schritte in dem weiten, düstern Gange zurückgelegt hatte, sah er vor sich eine feste eiserne Türe, die er nach kurzem Bedenken vorsichtig öffnete. Blendender Glanz traf sein Auge; er blickte in eine ungeheure, weite Halle, deren Wände von reinstem Golde waren. Hunderte von kleinen Zwerglein mit langen Barten und braunen Röcken waren eifrigst damit beschäftigt, Stücke Goldes von den Wänden loszulösen, in Körben nach der Mitte der Halle zu tragen und dort in einen mächtigen Schmelzofen zu schütten, aus welchem das geschmolzene Metall in schmale Rinnen abfloss. Wohl eine Viertelstunde hatte der junge Freiherr den seltsamen Bergleuten zugeschaut; da musste er plötzlich niesen. Sogleich gerieten die Zwerge in die lebhafteste Unruhe, und drohend liefen sie durcheinander. Ein Donnerschlag erschütterte die Halle, und unwiderstehlich fühlte sich der Jüngling fortgerissen, durch Felsenklüfte geschleudert und in ein Wasser geworfen. Ein spärlicher Lichtschimmer fiel von oben in die schauerliche Tiefe, in der er sich befand. Aber eh' er sich weiter besinnen mochte, fuhr ein Wassereimer hernieder. Unwillkürlich setzte er sich darauf und wurde langsam, aber stetig emporgehoben. Bald befand er sich im Hofe des Schlosses Forsteck, neben dem tiefen Sodbrunnen, gegenüber der alten Küchenmagd, die ihn unbewusst heraufgehaspelt hatte und die sich nun vor Erstaunen nicht zu fassen wusste. Seitdem hat nie wieder jemand die wunderbare Goldhöhle gesehen; aber oft hörte man im Juli und August in der Gegend um Forsteck helle Töne, ähnlich wie Klingeln der Pferdeglöckchen beim Schlittenfahren, die man das Bergklingeln nannte. Nach den einen sollen sie entstehen, wenn die Bergzwerglein das Gold von den Wänden abmeisseln und auf den Boden niederfallen lassen, nach andern, wenn sie in ihren Gemächern unter der Oberfläche Musik machen.
H. Herzog, Schweizersagen
Der Eingang der Sage ist merkwürdig. Das Schloß steht wirklich auf den Trümmern eines vorhistorischen Bergsturzes.
Quelle: Sagen des Kantons St. Gallen, Jakob Kuoni, St. Gallen 1903, Nr. 87, S. 40f
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch.