In uralter Zeit lebte im obern Rhonetal ein tüchtiger Schmied. der sich grosser Kundschaft erfreute und weit und breit nur der Schmied von Rumpelbach geheissen wurde. Von den Schneehalden herab und aus den Seitentälern heraus kamen die Leute mit ihren Maultieren zu ihm, denn er hatte die besten Eisen und Hufnägel und verstand es, den Pferden und Maultieren das Eisen so glatt und fest anzulegen, dass es monatelang hielt, und so lange man sich besinnen mochte, war noch nie ein Tier von der Schmiede lahm weggeführt worden.
Da hielt auch einmal ein vornehmer Reitersmann vor der Schmiede an und liess sich vom Meister das Pferd beschlagen. Das ging so geschwind, dass der fremde Herr staunte. Als er die Eisen prüfte, sassen sie wie angegossen. Voll Freude darüber rief er den Meister und sagte zu ihm, er dürfe sich für die gediegene Arbeit etwas Schönes wünschen. Die Frau, die eben heranschlurfte, um ihrem Mann einen Halben goldenen Muskateller auf das Bänklein zu schieben, raunte ihm ins Ohr: «Wünsche dir den Himmel!»
«Den müssen wir verdienen», sagte der Schmied gelassen, «den können wir nicht wünschen!»
«Nun, so will ich mir etwas wünschen», sagte der Meister und wischte sich mit der russigen Hand die Schweisströpflein von der Stirne. «Ich besitze im Garten einen schönen, jungen Kirschbaum, der jedes Jahr über und über mit schwarzen Kirschen behangen ist; doch jedesmal wenn ich sie pflücken will, ist schon einer oben gewesen und hat sie weggefressen, und so habe ich stets das Nachsehen. Ich wünsche, dass der Spitzbube, der verstohlenerweise auf den Baum klettert, nicht mehr heruntersteigen kann und mich zu Hilfe rufen muss!»
Der Herr erwiderte, er habe sich da etwas Vernünftiges gewünscht, bestieg sein Pferd und ritt weg.
Nach einiger Zeit hielt der Reitersmann wieder vor der Schmiede, um das Pferd beschlagen zu lassen. Der Schmied erkannte ihn sogleich rückte das Käppchen, setzte die Eisen an und erwarb sich von neuern die volle Zufriedenheit des Herrn, denn dieser sagte, er dürfe sich wieder etwas wünschen. Die Frau hatte den Femden durch die Butzenscheiben erspäht, kam eilig daher und föüsterte ihrem Mann über die Schultern zu: «Wünsche dir den Himmel! »
Der Mann erwiderte: «Ach mit deinem Himmel, den muss man doch verdienen!» Dann wandte er sich seinem zu seinem Gönner: «In der Stube steht ein Lehnstuhl, weich gepolstert, doch wenn ich müde bin und mich hineinsetzen will, ist er immer schon belgt. Ich wünsche mir, dass die Person, die sich drauf setzt, dran kleben bleibt, bis ich ihr heraushelfe!»
Der Fremde nickte beifällig, schwang sich aufs Pferd und entfernte sich.
Nach geraumer Zeit stieg der fremde Herr wieder vor der Schmiede ab und übergab dem Meister das Pferd zumI Beschlagen . Dieser schob das Käpplein nach hinten, machte sich hurtig an die Arbeit, liess die Funken sprühen und den Hammer ertönen. Mit einigen wuchtigen Schlägen hämmerte das Eisen in die richtige Form, und mit wohlgezielten Streichen setzte er die Nägel ein. Er hatte selbst das Gefühl, noch nie so rasch und gut seine Arbeit verrichtet zu haben. Der Herr besah den neubeschlagenen Fuss des Pferdes und sagte lächelnd: «Gut, gut, du darfst dir wieder etwas wünschen, Meister!» Die Frau passte schon lange hinter dem Fenster; nun öffnete sie dasselbe so rasch, das der Nelkentopf auf die Strasse fiel und klirrend zerschellte. So laut rief sie, dass der Herr es hören konnte: «Wünsche dir den Himmel, Mann, du Narr, wünsche dir den Himmel.»
Der Mann warf ihr einen ärgerlichen Blick zu: «Lass mich doch in Ruhe mit deinem Himmel, den muss man verdienen und nicht wünschen! »
Er wandte sich zum Reitersmann und sprach: «Ich habe hier einen Nagelsack. aus dem mir öfters Nägel gestohlen werden, wer in das Säcklein greift, soll die Hand nicht mehr herausbringen, bis ich ihm helfe!»
Der Reiter klopfte ihm auf die Schultern und sagte: «So ist es recht, Meister», schwang sich aufs Ross und galoppierte davon.
Von dieser Stunde an sah ihn der Schmied nicht mehr.
Als er alt geworden und den Hammer nicht mehr zu schwingen vermochte wie in früheren Jahren, da klopfte es eines Tages gar sonderbar an die Tür. Er legte das Werkzeug nieder und schlurfte hinaus, um nachzusehen, wer draussen stehe.
Da meldete sich der Teufel: «Es ist Zeit, komm mit», rief er, «den Himmel hast du ja doch verscherzt!»
Der Schmied schrak leicht zusammen, fasste sich aber schnell und sagte, er habe jetzt nicht Zeit, er müsse noch einen alten Dreifuss flicken, der heute Abend abgeholt werde. Damit die Arbeit rascher vorrücke, solle er ihm aus jenem Nagelsack ein paar Nägel herausholen,
Der Teufel griff mit der Rechten hinein und blieb drin hängen. Er schüttelte den Sack, dass die Nägel klirrten und verbiss die Lippen, brachte aber die Hand nicht mehr heraus. «Lass mich los», schrie er, «lass mich los!»
«Schenke mir noch ein paar Jährchen», sagte der Schmied und hämmerte ruhig weiter, «dann lasse ich dich laufen!» Der Teufel versprach es, und alsbald konnte er die Hand zurückziehen. Er schleuderte sie aus und trollte sich von dannen.
Als die geschenkten Jahre verstrichen waren und des Meisters Bart schneeweiss geworden, meldete sich der Teufel wieder und winkte ihm zu folgen,
Der Schmied lächelte pfiffig und sagte: «Gleich werde ich bereit sein, aber in den aufgestülpten Hemdsärmeln und den abgetragenen Werktagshosen darf ich mich neben dir nicht zeigen; ich will schnell die bessern Kleider anziehen; geh in die Stube und setze dich unterdessen in den Lehnstuhl!»
Der Teufel tat, wie ihm geheissen, und der Schmied zog das Sonntagsgewand an, stellte sich vor ihn hin und sagte: «So, jetzt lass uns gehen!. »
Der Teufel ruckte und zerrte mit aller Gewalt an dem Stuhl, fuhr damit blitzschnell im Zimmer herum und konnte sich doch nicht losmachen. «Hör nur auf», sagte der Schmied und kraute sich im Barte, «das Reissen und Stossen nützt dir alles nichts. Gib mir noch einige Jährchen zu, dann lasse ich dich frei!»
Der Teufel versprach es, wurde von dem lästigen Stuhle befreit und hinkte schnell davon,
Als die Zeit um war, erschien der böse Feind zum dritten Mal und schrie von weitem: «Jetzt rüste dich, jede Ausrede ist umsonst; du wirst mir diesmal nicht entwischen!»
«Das sehe ich leider auch ein», sagte der Schmied, dessen Schultern schon ein bisschen vornüber neigten. «Die letzte Bitte aber wirst du mir gewiss nicht versagen! Dort im Garten hangen die schönsten, reifen Kirschen. Pflücke mir ein Körbchen voll, das gibt dir ja wenig zu tun, damit ich mich satt esse, bevor ich den schweren Gang antrete!»
Der Teufel brummte: «Du hast doch immer etwas zu wünschen, doch wenn es deine Lieblingsfrucht ist, also meinetwegen», und er kletterte hurtig auf den Baum und sammelte flink wie ein Affe die Früchte ins Körbchen. Als es voll war, begann er kläglich zu winseln, denn er konnte nicht mehr hinunter. Der Schmied hüpfte vor Freude und lachte sich ins Fäustchen.
«Lass mich hinunter», jammerte und heulte der Teufel, ich schenke dir gerne noch einige Jährchen! »
«Nein, nein», lachte der Schmied, «so schnell kommst du mir diesmal nicht davon. Gibst du mich frei für immer, dann magst du heruntersteigen, sonst bleibst du dort oben bis in alle Teufelsewigkeit!»
Der Böse versprach es, sprang in einem Satz vom Baum, rollte den Schwanz auf und verschwand.
Der Schmied hatte sich einen tüchtigen Gesellen herangezogen, so dass er sich auf die leichten Arbeiten beschränken konnte. Als hochbetagter Greis starb er.
Der Tod führte ihn vor das Höllentor und klopfte an. Da rief eine Stimme heraus: «Wer ist da?»
«Der Schmied von Rumpelbach», lautete die Antwort.
Da gab's einen grossen Lärm. «Den können wir nicht brauchen», schallte es zurück, «der schlägt uns krumm und lahm; geht vor eine andere Tür!»
Vor dem Fegefeuer erhielten sie dieselbe Antwort; da zogen sie weiter und pochten leise an die Himmelspforte. Als Petrus öffnete und den Schmied erblickte, brummte er ihn an: «Für dich ist kein Platz hier, denn du hast dir nie den Himmel gewünscht! »
«So öffne mir nur die Tür ein ganz klein wenig, damit ich einen Blick tun kann in all die Herrlichkeit des Paradieses! »
Petrus gewährte ihm die Bitte und schloss die Tür auf. Da warf der Schmied schnell sein Schurzfell hinein, sprang mit einem tüchtigen Satz drauf und rief:
«Der Schmied von Rumpelbach
Sitzt hinter der Himmelspforte uf siner Sach!»
Petrus verzog sein Gesicht zu einem freundlichen Lächeln und drückte ihm die Hand: «Drin bist du, und drin sollst du bleiben, denn du hast dir den Himmel verdient; aber mit solcher List ist mir noch keiner hineingeschlüpft!»
Quelle: Johannes Jegerlehner: Walliser Sagen, Hans Feuz Verlag Bern, 1959
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch.