Gudbrand vom Berge

Land: Schweiz
Kategorie: Schwank

Es war einmal ein Mann, der hiess Gudbrand vom Berge, denn er wohnte zuoberst im Val d'Entremont. Gudbrand und sein Weib lebten in Frieden und Eintracht miteinander samt einem Schärlein Kinder auf ihrem Gütlein. Im Stalle standen ihnen zwei braune Kühe am Barren und im Bettkasten lagen, in einem dicken Wollstrumpf verborgen, hundert bare Silbertaler als Zehrpfennig für Zeiten der Not. Die Frau liebte ihren Mann über alles; was er sagte, war gut und was er tat, noch besser. Immer war die Frau zufrieden mit ihrem Mann.

         Eines Tages sprach die Frau: “Gudbrand, weisst du was, nimm die eine Kuh und geh auf den Markt nach Martinach und verkaufe sie! Dann bekommen wir ein wenig Geld für den Alltag in die Hand, wir so gut wie ander Leute, die nicht mehr haben und nicht besser sind. Beileibe – unsere hundert Taler rühren wir nicht an – aber wir haben genug mit einer Kuh.” - “Wohlgesprochen, Frau”, sagte Gudbrand, holte die Kuh und brachte sie zur Stadt. Aber niemand wollte die Kuh kaufen. Und schon wollte Gudbrand das gute Tier wieder heimtreiben, da kam eben ein Mann über den Platz mit einer blinden Mähre. Der sagte: “Dir geht's, mein ich, grad gleich wie mir: niemand will mir den Gaul da abkaufen. Wie wär's, wenn wir tauschten, dann wäre uns beiden gedient.” - “Warum auch nicht”, antwortete Gudbrand, denn ein Pferd, dachte er, zu der einen Kuh, sei immer noch besser als zwei Kühe, und so tauschte er die Kuh gegen das Pferd und machte sich wohlgemut auf den Heimweg.

         Am Brunnen, wo er seinen Gaul trinken liess, traf er einen, der hatte eine lustige Glöckligeiss am Seil. Das wäre eine Freude für die Kinder, wenn ich ihnen so ein munteres Geisslein heimbrächte! Dachte Gudbrand, und flugs tauschte er seine Stute gegen die Geiss. Der andere, der glauben mochte, es könnte jenen dieser Handel gereuen, machte sich schleunigst mit dem Pferd aus dem Staube, indes Gudbrand fröhlich mit seiner Geiss weiterging.

         Unterm Tor kam ihm einer mit einem Schaf entgegen. Ei, so ein chruselig Wollenschaf wär' uns grad bekommlich! Dachte Gudbrand, das gibt warme Socken für den Winter, und er tauschte die Geiss gegen das Schaf.

         Vor der Stadt begegnete ihm unlang einer mit einem quiekenden Färrlein unterm Arm. Hah, dachte Gudbrand, was klein ist, wird gross. Das Säuli könnten wir mästen, Abfall haben wir mehr als genug. Und ist erst eine fette Sau geworden, dann gibt's Braten, Gesalznes und Geräuchtes, Würste und Schinken die Hülle und Fülle auf Jahr und Tag hinaus! - Und er tauschte das Schaf gegen das Ferkel.

         Nach einer Weile begegnete ihm einer mit einem Hahn, dessen buntes Gefieder in allen Farben im Sonnenschein schimmerte. Ein flotter Güggel ist doch schöner als ein kahles Schwein, dachte Gudbrand, und tauschte sein Färrlein gegen den Hahn, und schritt wohlgemut seines Weges weiter.

         Die Sonne brannte heiss und staubig war die Strasse, und bald plagte Gudbrand der Durst und unlang auch der Hunger. Am Wege stand ein Wirtshaus, dessen schattige Rebenlaube den Wanderer zu Sitz und Imbiss einlud. Der Wirt stand eben unter der Türe, als Gudbrand ankam, und es bedurfte nur weniger Worte, und sie waren handelseinig geworden: Gudbrand tauschte seinen Hahn gegen ein Mittagessen und ein Viertel weissen Weines. Nachdem Gudbrand also in aller Gemächlichkeit sich gütlich getan, wischte er zufrieden den Schnauzbart und dachte bei sich: Traun, ein guter Bissen und ein noch besserer Schluck drüberab ist wohl einen Güggel ohne Hennen wert! Und dann zog er fröhlich seines Weges weiter.

         Die Schatten krochen schon die Hänge hinauf, als er ins Dorf kam. Einige Nachbarn standen auf der Strasse und plauderten. “Heda, Gudbrand, du siehst auch aus, als hättest du einen guten Handel gemacht!” Gudbrand blieb stehen und erzählte den Mannen, was er ausgerichtet hatte. “Oha lätz”, sagte da ein anderer, “deine Frau wird dich mit dem Besen empfangen und dir mit Zins und Zinseszinsen heimzahlen, was du vertan hast.” “Geschäh nichts Böseres auf der Welt als schlechte Geschäfte!” antwortete Gudbrand. “Geschehen ist geschehen, und wir nicht anders durch Meinen und Markten. Eines aber, sag ich euch, ist sicher: Meine Frau wird mit allem zufrieden sein.” Da schüttelten die Nachbarn die Köpfe, blinzeten einander zu und lachten, und einer sagte: “Nichts für ungut, Gudbrand, aber ich glaube eben nur, was ich mit eigenen Augen sehe und mit eigenen Ohren höre.” “Was gilt's”, versetzte Gudbrand, “ich wette hundert Taler, dass mein Wort sich erwahren wird! Nehmt ihr an?” “Topp, es soll gelten!” sagten die anderen und schlugen ein. Dann gingen sie mit Gudbrand zu seinem Hause. Dort blieben sie vor der Türe stehen, um zu belauschen, was sich begäbe, wenn Gudbrand seinem Weibe Rechenschaft ablegen würde von seinem guten Handel.

         "Guten Abend", sagte Gudbrand, als er in die Stube trat. "Gottlob, dass du wieder da bist!" erwiderte die Frau, "es war mir schon gar schier ein wenig Angst um dich, weil du so lange ausgeblieben bist. Hast du die Kuh gut verkaufen können?"

         "O ja, wie man's nimmt", sagte Gudbrand. "Wie lang ich auch stand und wartete, es kam niemand, der kaufen wollte. Und da hab ich sie zuletzt gegen ein Pferd umgetauscht."

         "Gegen ein Pferd!" rief die Frau und schlug vor Freude die Hände zusammen. "Da können wir ja künftig am Sonntag zur Kirche fahren! Wenn wir nur auch den Wagen schon hätten!" "Langsam, langsam", sagte Gudbrand, "so schnell rollen die Räder nicht, so rund sie sind - ich hab hernach den Gaul gegen eine Geiss getauscht."

         "Gegen eine Geiss!" rief wieder die Frau, "das war noch besser als das Pferd! Was wollten wir auch mit einem Pferd? Bedenk ich's recht, so wären die Nachbarn nur neidisch geworden und hätten darob gefatzt und getratzt. Geh, stell sie gleich in den Stall!" "Nur nicht so geschwind!" sagte Gudbrand, "die Geiss habe ich gegen ein Schaf getauscht“.

         "Nein, das war ein guter Tausch!" rief die Frau und schlug sich auf die Hüften, dass der Rock sich fältelte. "Was wollten wir auch mit der Geiss! Den lieben langen Tag hätten wir nichts anderes zu tun gehabt, als ihr durch Stauden und Steine nachzulaufen, um sie am Abend wieder heimzubringen! Da ist ein Schaf doch ganz was anderes! Denk nur, die gute Wolle, das gibt Strümpfe und Lismer für uns alle. Stell das Schaf gleich in den Stall!"

         "Gemach", sagte Gudbrand, "das Schaf, das hab ich gegen ein Färrlein getauscht." "Gegen ein Färrlein!" rief die Frau, "einen besseren Tausch hättest du gar nicht machen können! Das gibt Fleisch und Fett, und erst die Würste und Schinken im Rauchfang! Was wollten wir auch mit dem Schaf? Ich hätte ja doch weder Kamm noch Haspel gehabt. Und dann erst das Spinnen und Weben! Geh, stell das Schwein in den Kofen!"

"Ja, wart noch ein Weilchen", sagte Gudbrand, "das Färrlein hab ich gegen einen Hahn eingetauscht." "Gegen einen Hahn! Das wäre mir wahrlich nicht eingefallen! Ein Hahn ist besser als eine Wanduhr mit Schlagwerk! Der wird uns morgens beizeiten aus den Federn krähen, indes die anderen alle noch schlafen. Und bis sie aufstehen, haben wir das halbe Tagewerk schon getan. Es heisst nicht vergebens: Morgenstund hat Gold im Mund. Was wollten wir auch mit dem Schwein? Wir hätten's mit der Zeit rupis stupis aufgegessen, und dann wär's all gewesen, und wir hätten nichts mehr gehabt. Nein, so ein Hahn auf dem Mist, da hat man doch alleweg seine Freude dran! Geh, sperr ihn für heut in den Holzschopf, dass der Fuchs ihn nicht holt!"

         "Hör, Frau", sagte Gudbrand, "den Hahn hab ich auch nicht mehr. Weisst du: Ich wurde unterwegs aufs Mal so hungrig, dass ich glaubte, ich käme nimmermehr heim, und da hab ich den Hahn gegen ein gutes Mittagessen eingetauscht. "Gott und allen Heiligen sei's gedankt, dass sie dir das eingegeben!" rief die Frau und umarmte den Mann, "denk nur, was hätt auch aus mir und den Kindern werden sollen, wenn du auf dem Wege Hungers gestorben wärest! Und was wollten wir auch mit dem Hahn! Jetzt werden wir nicht zu nachtschlafender Zeit aus dem besten Schlummer geschreckt, und können am Sonntagmorgen liegen bleiben, solange es uns gefällt. Meinst du nicht auch?"

         Da tat Gudbrand die Tür auf: "Nun, macht die hundert Taler heraus," sagte er zu den Nachbarn, die mit langen Gesichtern draussen standen. "Ja, der Teufel hat's gesagt: Dem Einfältigen sind Gott und die Weiber hold, und allerwegen ist das Glück mit ihm", sagten diese und holten das Geld.

 

Alpensagen / C. Engler-Faye / Bern 1941

Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch.

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