Gleich nach dem Feierabend-Läuten begann der Wächter sein Amt, und
zwar Sommers- und Winterszeit allabendlich um acht Uhr, und er rief dann die Stunde und den Stunden-Spruch ab.
Für jede Stunde hatte er einen eigenen Segens-Spruch oder Wunsch. –
Der Stundenruf war:
»Hör't Ihr Christen, und lasst Euch sagen:
Unsre Glock' hat ... g'schlagen.«
Acht Uhr: »Unser Wachen wird nichts nützen,
Gott muss wachen, Gott muss schützen.
Herr, durch Deine Hut und Macht
Gieb uns Allen eine gute Nacht!«
Acht nur Acht zu Noah's Zeit
Waren von der Straf befreit.
Neun Uhr: Neun versäumten Dankespflicht.
Mensch, vergiss des Dankens nicht!
Zehn Uhr: Zehn Gebote schärft Gott ein!
Lasst uns ihm gehorsam sein.
Elf Uhr: Nur elf Jünger waren treu;
Hilf Herr, dass kein Abfall sei!
Zwölf Uhr: Zwölfe ist das Ziel der Zeit.
Mensch, bedenk' der Sterblichkeit!
Ein Uhr: Eins ist Not, Du treuer Gott:
Gieb uns einen sel'gen Tod.
Zwei Uhr: Zwei Weg' hat der Mensch vor sich;
Herr, den schmalen führe mich.
Drei Uhr: Drei sind, die man göttlich heisst:
Vater, Sohn und Heiliger Geist.
Vier Uhr: Vierfach ist das Ackerfeld.
Mensch, wie ist Dein Herz bestellt!
Auf, ermuntert Eure Sinnen,
Denn die Nacht weicht schon von hinnen;
Danket Gott, der uns die Nacht
Hat so väterlich bewacht.
(Dieser Wächter-Ruf ist der schönste, sinnigste weit und breit.)
Quelle: Volksthümliches aus Graubünden, D. Jecklin, vollständige Neuauflage, Berlin 2014
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch.