Eine fleissige, erwachsene Tochter, welche im sog. Caviezlischen Häuschen im Lürlibade oberhalb des Lochers-Gässli bei Cur wohnte, wollte einst Abends späte Hause zu, nachdem sie bei dem Bauern, bei dem sie gearbeitet, noch zu Nacht gegessen.
Als sie nun frohen Mutes, schnellen Schrittes im Lochers-Gässli aufwärts ging, erblickte sie unvermutet die Gestalt eines Kapuziners, der dicht neben ihr auch das »Fürhopt« (Rasenbord zwischen Weinbergstücken) hinaufeilte, eben so schnell wie sie selber.
Die sonst unerschrockene Tochter überkam doch ein Grausen ob der unheimlichen Gestalt, die sie heute zum ersten Male erblickte, wie oft und vielmal sie diesen Weg gegangen war. Sie lief schneller und immer schneller, immer gefolgt von der Gestalt. Fast atemlos langte sie endlich beim Caviezlischen Häuschen an, wo auch ihr älterer Bruder wohnte. Derselbe war eben in der Küche, und sah, wie die Schwester so hastig der Wohnung zulief. Er öffnete schnell die Türe, liess die Schwester eintreten, und war noch im Stande zu schliessen, bevor der unheimliche Begleiter unter das Hausdach treten konnte.
Bis vor wenig Jahren hat man von diesem Geiste gar nichts gewusst oder bemerkt; nachdem aber vor wenigen Jahren der sog. Pfaffen-Torkel dort in der Nähe abgebrannt ist, hat diese Gestalt sich sehen lassen, und zeigt sich vorzugsweise beim »Zunachten.« Dieser Kapuziner soll in diesem Torkel eingemauert gewesen, durch den Brand aber frei geworden sein.
Quelle: Volksthümliches aus Graubünden, D. Jecklin, vollständige Neuauflage, Berlin 2014
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch.