Es war zur Zeit des Andreas-Marktes (12.-20. Dezember) vor etwa 50 Jahren, dass J.v. Marmels aus Salux um 11 Uhr Nachts von Castel (TiefencasteI) die Strasse hinaufging, um heimzukehren.
Nicht weit war er gegangen, da sah er oberhalb in den Wiesen am Waldessaume ein Licht. - Da dort in der Gegend weder Haus noch Stall zu finden sind, zudem es sehr kalt war, und regnete, nahm es ihn sehr Wunder, was das für ein Licht sein möge. Er ging vorwärts, immer auf das Licht zu, aber auf einmal konnte er kein Licht mehr erblicken. - An der Stelle, wo Dasselbe gewesen, roch er einen entsetzlichen Schwefelgestank; und wie er in die Landstrasse einbog, vernahm er ein heisseres Lachen hinter sich. Er ging vorwärts; aber da däuchte ihn, dass ein Tier hinter ihm her trappe, eine Geis oder so Was. Öftermalen schlug er mit dem Stocke um sich, umsomehr als es sehr dunkel war, aber immer vernahm er das gleiche Lachen. Wie gewohnt, trug er einen Zylinderhut, und Der wurde ihm von unsichtbarer Gewalt bald auf die eine, bald auf die andere Seite herabgezogen, und jedesmal spürte er einen starken Schwefelgeruch neben oder hinter sich.
Beim »Steine« angelangt, ging's ihm nicht besser, so dass er endlich böse wurde, und er gewaltig fluchte auf den Teufel und seine Grossmutter. - Da bekam er plötzlich eine furchtbare Ohrfeige. Nun begehrte er noch mehr auf, was zur Folge hatte, dass er auch auf die andere Seite eine solche» Täsche« (Schlag) bekam, dass der Zylinder ab dem Kopfe flog, und ins Tobel hinunter kugelte. Auf diess hin gab er »Pech« (nahm er Reissaus) zur Säge hinab und hinauf nach Salux, wo er das Erlebte erzählte. - Alle meinten, das sei der Geist von dem italienischen Arbeiter, der beim Strassenbau am »Steine« verunglückt sei. Das sei aber bei Lebzeiten ein schlechter Mann gewesen, und deshalb habe er noch keine Ruhe.
Der gute von Marmels hatte die ganze Nacht durch genug zu tun, von der Sache zu träumen. Am Morgen aber war sein Erstes, nach dem Zylinder zu suchen. Er fand ihn endlich, im Walde, drunten am Wasser. Aber der Zylinder, der ihm so lieb gewesen, war ganz zerdrückt, und oben im Boden war ein grosses Loch eingebrannt. - Er wagte nicht ihn mitzunehmen.
Quelle: Volksthümliches aus Graubünden, D. Jecklin, vollständige Neuauflage, Berlin 2014
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch.