Es war so Ende des 18. Jahrhunderts, als ein Mann, der nahe bei der Kirche in Closters wohnte, eines Abends spät von seiner Arbeit heimkehrte. Da seine Leute schon zu Bette gegangen waren, suchte er in der Küche herum, was sie ihm »z'Nacht« gerüstet hätten, er fand aber nichts Anderes, als einen Haufen Nussschalen und Schneckenhäuslein in einem Kessel über dem Feuer. In der »Täubi« (erbost), dass man ihn so zum Narren habe, nahm er den Kessel vom Feuer weg, aber plötzlich sah er kein Feuer mehr, auch alle Nussschalen und Schneckenhäuslein waren aus dem Kessel verschwunden. Das konnte sich der gute Mann nicht deuten, und es wurde ihm ganz angst, was dahinter stecken möge. - So liess er das Suchen nach Essbarem sein, und ging schlafen. In der Nacht träumte ihm fortwährend von einem grossen Kessel voll Nussschalen, Schneckenhäuslein u. drgl. - Am Morgen erzählte er das Geschehene und auch den Traum. Draussen in der Küche stand aber, und zwar auf dem Herde selber, das Nachtessen, das er gesucht, aber nicht hatte sehen und finden können.
Nun berichtete seine Schwester, dass vor einiger Zeit, als sie in den Keller gewollt, ein weissgekleideter Mönch ihr den Weg versperrt habe. Der Mann wurde ganz nachdenklich über alles das, und urteilte, dass ein Geist hier hause. Er überlegte die Sache, und fasste den Entschluss, zwei Geistliche um ihre Hülfe anzusprechen, denn er allein wagte es nicht, hinter den Geist zu geraten, den er im Hause hatte.
Er unternahm zu diesem Zwecke die Reise über Schlapin, ins Montavon, ging zu zwei Geistlichen und erzählte ihnen Alles. Die Geistlichen waren gleich bereit, dem Manne zu helfen und kehrten mit ihm Closters zu. Alle Drei gingen in den Keller, wo der eine Geistliche aus einem grossen Buche, das er mitgebracht, allerlei Formeln las. Dieser lesende Geistliche liess, wie aus Versehen, sein Nastuch fallen. Der Hauseigentümer gewahrte es, und hob das Nastuch auf. Der Geistliche las weiter, und liess wieder das Nastuch fallen, worauf der Mann abermals es aufheben wollte, aber der andere Geistliche gab ihm einen Wink, es liegen zu lassen, bückte sich selber, und hob, eine Handvoll Erde mitfassend, das Nastuch auf, und steckte dann Nastuch und die Erde darin, in die Tasche. - Hierauf hörte der andere Geistliche auf, zu lesen, und alsobalde kehrten Beide nach dem Montavon zurück.
In der darauf folgenden Nacht schlug der Mann sein Nachtquartier neben dem Ofen auf; er konnte aber nicht schlafen, so sehr beschäftigte diese Geschichte seine Gedanken. Es war eine helle Nacht, der Vollmond stand am Himmel und leuchtete durch die Fenster. Etwas vor Mitternacht vernahm er Tritte, wie von einem Menschen, und gleich darauf öffnete sich die hüre, und es trat ein grosser Mann herein, der gab durch Bewegungen mit dem Kopfe ihm seinen Dank zu verstehen. Dem Manne wurde seltsam zu Mute, er wollte seinen späten Gast anreden, aber er brachte kein Wort hervor, war auch keiner Bewegung fähig. Der grosse Fremde verliess hierauf die Stube, und der Zurückgebliebene hörte ihn weggehen, vernahm auch, wie Derselbe die Treppe hinunter etwas nach sich zog. Jetzt erst konnte er wieder aufstehen von der Ofenbank, auf welcher er, so lange der Andere in der Stube geweilt, wie festgebunden war, trat dann ans Fenster, und sah, beim hellen Mondscheine, dass sein stummer Besucher so eben von seinem Hause fortschritt, und einen grossen, vollen Sack nach sich schleifte. - Er schaute ihm noch nach, und eben schlug es Zwölfe an der grossen Glocke am nahen Kirchturme. -
Im Frühjahre darauf ging der besagte Mann wieder um nach Montavon, diesmal aber um eine Kuh zu kaufen. - Er besuchte bei diesem Anlasse auch die beiden Geistlichen, welche ihn sehr gastfreundlich aufnahmen, und mit Speise und Trank erquickten. Sie eröffneten ihm, dass an der gleichen Stelle, wo sein Haus jetzt, früher ein Mönchskloster gestanden, und dass dort Silbergeschirr und gemünztes Geld im Keller versteckt gewesen sei, welches der stumme Besucher, ein Mönch, der den Schatz habe hüten müssen, nach dem Montavon gebracht habe, weil dieser Schatz einem Vermächtnise zufolge, der nächstliegenden katholischen Kirche angehöre. -
Das Haus, wo der Schatz gelegen, und wo vordem das Kloster gestanden, heisst heute noch »im Winkel«, und der Mann, dem damals diese Geschichte passierte, hiess Hans Guler, genannt der »Schäfli-Guler.« -
Es sind noch kaum 10 Jahre, als sein Enkel, auch Hans Guler mit Namen, in diesem Hause wohnte. Er hatte aus dem Keller eine Schmiede herrichten lassen. Bei hellem Tage, als er einmal darin arbeitete, kam ein Weiss-Mönch zu ihm; als er jedoch Denselben bemerkte oder sah, fiel er vor Schrecken um, und erholte sich erst nach längerer Zeit wieder, aber der Mönch war und blieb verschwunden. Diese Begebenheit wiederholte sich öfters, weshalb er dieses Haus verlassen musste. Der Mann, der jetzt es bewohnt, heisst Andreas Kaspar.
Quelle: Volksthümliches aus Graubünden, D. Jecklin, vollständige Neuauflage, Berlin 2014
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch.