Der Dekan Georg Salutz, s.Z. Pfarrer zu Cur, zeichnete wegen seiner grossen Gelehrsamkeit und leutseligem Wesen so wohl, als auch durch seine Riesenkraft sich aus. Er lebte zur Zeit der Unruhen und Strafgerichte im Freistaat der drei Bünde, und predigte »ohne Furcht und Tadel,« wider die Faktionen, weswegen er nicht wenig Hass auf den Hals sich geladen, so weit, dass sogar nach dem Leben ihm gestellt wurde.
So kamen in einer Nacht fünf maskierte Kerls in das Pfarrhaus. Er aber empfing sie freundlich, und holte gleich einen guten Trunk. - Als sie nun am Trinken waren, wollte Einer dieser Maskierten ihn angreifen. Salutz aber fasste ihn am Arme, und setzte ihn wieder auf die Bank, dass diesem armen Menschen nur bloss von dem Drucke der Hand der Arm entzwei gebrochen wurde. - Dann nahm Salutz sein Schwert, das er verborgen aufgehängt hielt, hervor, und deutete den saubern Vögeln was sie seien, und was sie zu gewärtigen hätten, wenn sie nicht ruhig seien. Auf dies hin gaben sie in der Angst sich zu erkennen, worauf der Dekan ihnen den Text las und sie dann frei gab. Den aber, welchem er den Arm entzwei gebrochen, behielt er bei sich im Hause, und kurierte ihn selber, denn er war auch ein guter Wundarzt.
Ein andermal stand Salutz mit andern Herrn vor einem Trauerhause, und hatte (wie noch heute üblich) seinen langen Prediger-Mantel an. An diesem Hause war ein Kaufmannsladen, und Vorn in diesem Laden ein grosses Stück Blei, so schwer nämlich, als auf ein Pferd geladen wurde. Als der Ladenherr einen Augenblick den Rücken kehrte, nahm der Dekan Salutz dieses Stück Blei unter seinen Mantel, und unter den Arm, und deckte es mit dem Mantel zu, und hielt es also, bis der Ladenherr wieder kam. - Der schaute um, wo das Stück Blei hingekommen sei, worauf dann der Herr Dekan Dasselbe in die andere Hand nahm, und auf den Ladentisch legte, mit den Worten, es werde wohl Dieses sein.
Eines Tages ging der Dekan neben dem ehemaligen Kaufhause ebener Erde des jetzigen Rathauses hinab, und sah dort, wie zwei Fuhrleute sich abmühten, ein Kaufmannsstück auf einen Wagen zu »lupfen« (hinauf zu heben), mit dieser Arbeit aber nicht zu Stande kommen konnten. Er erwiderte lächelnd, sie sollen noch einmal probieren, er wolle ihnen helfen. Sie hoben das Stück wieder, und brachten's bis auf die Knie. Da sagte er ihnen spassend: »Ihr seid wohl liederliche Gesellen, dass Ihr das Stück nicht auf den Wagen bringen möget.« Nach Fuhrmannsart antworteten sie ihm grob, wenn er so stark sei, solle er es »auflupfen«. Der Dekan setzte nun ohne irgendwelche Nachhülfe mit der Hand, den einen Fuss unter das emporgehobene Kaufmannsstück und gab damit demselben einen so gewaltsamen Schwung, dass er es über den Wagen hin, auf die andere Seite des Wagens warf.
Einstens begegnete dem Dekan Salutz zwischen der Mulinära und Trimmis an einem etwas »abhaldigen« Orte ein Mann mit einem Ochsen, den derselbe einem Trämel (Sägenholz) vorgespannt hatte. Es war aber dem Tiere unmöglich, den Holzblock »ab Stätt« (von der Stelle) zu bringen. Der Dekan erbarmte sich des Ochsen, und sagte dem Bauern: »Lieber Mann, ich habe allezeit gehöret sagen, wenn man einen Ochsen eine Weile ausspanne, so ziehe er wieder besser.« Der Bauer tat also, »wättete« (löste) den Ochsen aus, und nahm ihm das Joch ab; worauf Herr Salutz das Joch an dem »Stadal« befestigte; dann legte er seine Armbiegen ins Joch, und zog so das Sägholz alleine bis hinauf auf die Ebene. Dann sagte er zum Bauern, jetzt könne er wieder »einwätten«, er glaube, es gehe jetzt besser.
Quelle: Volksthümliches aus Graubünden, D. Jecklin, vollständige Neuauflage, Berlin 2014
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch.