Der »grosse Mettier«, Vater der »starken Mettier«, hatte sein Wohnhaus unterhalb dem Platz-Langwies. im sog. »Müller-Hause«, und besass Güter in den »Tiejen« (d.h. in der Alpe), wo er dann im Vorwinter sein Vieh fütterte. Er hatte einen ältern Bruder und drei Söhne.
Nun träumte einmal diesem »grossen Mettier«, sein Bruder im »MüllersHause« sei krank, weshalb er von den »Tiejen« herabkam, zu sehen, was Demselben fehle. Im Vorbeigehen durch den »Rong- Wald«, nahm er einen »Stecken« mit, weil es schon »hehl« (Glatt-Eis) war, und dieser Stecken war eine junge Tanne, die er mit seinem »Schnetze« (offenes Taschenmesser aussergewöhnlicher Grösse) »abastete« (entastete). Der Traum hatte ihn aber betrogen, er traf seinen Bruder gesund und wohl an.
(Diesen »grossen Mettier« mit der Tanne in der Hand trägt noch heute die Gemeinde Langwies in ihrem Siegel).
Vor seiner » Vor- Winterung« in den Tiejen führte er auch etwas Heu nach Müllerhaus herunter. Er nahm einmal seinen jüngsten Sohn mit sich, legte Demselben 1/4 Klftr. Heu auf den Schlitten, sich selber aber 1/2 Klafter, wie gewöhnlich. Da der Weg, namentlich von Rong weg, ziemlich steil bergab führt, ging der Alte voran, und liess den »Buob« (Sohn) nachkommen. Der Sohn aber war gescheide, und steckte seine Füsse in die Heufuhre des Vaters, so dass Derselbe beide »Stückli Heu« zu halten hatte. Beim Sagen-Stege oder Rang-Stege fragte der Alte den Sohn: »wie isch g'gange?« Der Sohn antwortete »gut«, worauf der Alte bemerkte: »Dann kannst Du noch ein Mann werden, ich hatte g'nug, bin aber au schu a alt's, schwach's Mannli.«
In seinen ältern Jahren blieb der grosse Mettier im Müllerhause, das an der alten Strasse steht. Und da war es zur Zeit, in der die Franzosen durchs Land zogen, dass einmal eine Schaar Solcher das TaI hereinbrachen, bis nach Langwies, und ein Trupp Derselben beim Müllerhause vorbeikamen, dort müde, hungrig und durstig sich setzten, und vom alten Mettier etwas Labsal verlangten. Der nahm unter jeden Arm Brod und Käse und in jede Hand eine »Gebse« (Geschirr von Holz, 8-10 Mass haltend) Milch, und brachte das den Franzosen. Diese liessen sich‘s wohl sein, und im Gespräche mit Mettier fragte Einer ihn, ob hier (in Langwies) Alle so starke Männer seien, wie er. Mettier erwiderte: »Ja, i bin nüt meh, aalt schwach's Mannli, aber doben in da Berga, da sind die rechta Manna, gönd nu ufa.« Auf diese Erklärung hin machten die Franzosen nicht mehr lange, standen bald auf, und kehrten hin, woher sie eben gekommen.
Als Mettier schon in die 70 Jahre alt war, ward beim Müllerhause ein Stall gebaut (ob für Mettier selber, oder einen Andern, wird nicht gesagt) und zwar von schönem, langem Holze. Nun wurde beim Setzen des Dachstuhles die »First« (Firstbalken) nicht recht hinaufgetan, und sollte wieder gekehrt werden. Da diese Arbeit eher schwer und auch gefährlich war, wurde sie nicht gerade behende ausgeführet. Da kam eben ein »fahrender Schüler« daher, der sah die Zimmerleute »raten« (sich beraten) und »beizen« (sich abmühen), und sagte lachend, er wolle die »First« schon kehren, stellte sich hinauf, schlug eine Axt mitten in den »Tramen« (Firstbalken, der die ganze Länge des Gebäudes hat), fasste mit beiden Händen, und drehte die »First« um, spottend: »Trotz dem Bündner, der das tut.« Den alten Mettier, der unten zuschaute, machte diese Herausforderung so böse (wie auch die Zimmerleute darob sich ärgerten), dass er, seiner Kraft trauend, hastig entgegnete: »Tut mir ein Brett hinauf, dass ich stehen kann, so will ich es auch probiren.« Nachdem das Brett oben war, an Ort und Stelle, stieg Mettier hinauf, steckte die Axt mitten in den »Tramen« und drehte die First mit einer Hand, ausrufend: »Trotz dem Welschen, der das tut.«
Quelle: Volksthümliches aus Graubünden, D. Jecklin, vollständige Neuauflage, Berlin 2014
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch.