Der Spuck im alten Schlosse Haldenstein

Land: Schweiz
Kategorie: Sage

Ein ziemlich bejahrter Bauer von Battänia ging nach Cur auf den Markt und machte bei Nacht sich wieder auf den Heimweg. Als er unterhalb der Schlossruine Haldenstein vorbeiging, hörte er in Derselben eine liebliche Musik erschallen. - Er schaute auf.

Da erblickte er auch helle Lichter aus den Ruinen herabblinken, und da er wenig furchtsam, überdies vom edlen Veltliner-Wein ziemlich angeheitert war, stieg er herzhaft den Berg hinan, klomm den Schlossfels auf, und zwängte sich durch die enge Mauer-Öffnung ins Innere der Ruinen. Dort fand er gar reges Leben: Eine festlich geputzte Gesellschaft tanzte in seltsamen Reigen, und ladete den wackern Bauern auch zum Tanze ein. Er besann sich denn auch nicht lange, und wählte eine ganz schmucke Tänzerin sich aus, Die wurde ihm nun so hold, dass sie ihm eine schöne Tabakspfeife schenkte, worüber er eine unmässige Freude bezeugte,

Der gute Alte machte sich nun brav lustig, bei Tanz und Sang und Schmaus, bis am Morgen, und er wünschte sich, allzeit seines Lebens in so hoher und angenehmer Gesellschaft zu sein. Als aber im Osten das Morgenrot sich zeigte, wurde er mit Schrecken gewahr, dass alle Tanzenden Gaisfüsse hatten; im Nu verschwand auch die ganze Gesellschaft, und mutterseel-alleine stand er im Innern der Schloss­ruinen.

Wie er nun aber seine schöne Pfeife füllen wollte, zog er statt Derselben einen Katzenschwanz aus der Tasche. Er kroch durch das Mauerloch zurück, und ging verdriesslich nach Hause, wo seine Frau Eheliebste eben im Begriffe stand, nach dem Dorfe Haldenstein hinunter zur Predigt zu gehen, denn es war Sonntag. Sie hatte schon lange ihn erwartet, und bat ihn nun, statt ihrer das Mittagessen zu bereiten. Der Mann übernahm die Kocherei, und die Frau ging zur Kirche. Bei ihrer Rückkehr setzten die Beiden sich zu Tische.

Da war alles Essen verdorben, und statt des grossen Stückes saftigen Fleisches, das die Frau in den Suppenkessel gelegt hatte, zog der Mann - ein Paar alte Schuhe aus Demselben.

Quelle: Volksthümliches aus Graubünden, D. Jecklin, vollständige Neuauflage, Berlin 2014

Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch.

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