An einem Tage, es war zur Zeit der Heu-Ernte auf den Alp-Wiesen in der Cierfser-Alpe da Munt, hatten die Dialen grosse Wäsche, und ihr Weisszeug, Hemdlein, Tischtüchlein und Leintüchlein an der Sonne zum Trocknen ausgebreitet.
Zwei alte, habsüchtige Mütterchen, denen die Dialen manche Wohltat erwiesen hatten, und die an diesem Tage auch des Heuens wegen, auf der Alpe da Munt sich befanden, betrachteten mit neidischen Augen die schönen Tüchlein; ihre Habgier erwachte und sie fassten den Entschluss, einen Teil davon wegzustehlen.
Während die Dialen des Nachmittages auf einige Augenblicke in ihre Wohnung zurück sich begeben hatten, um sich zu erfrischen, oder um andere Geschäfte zu verrichten, entwendeten die zwei Weiber einige kostbare Stücke von der feinen Dialen- Wäsche, versteckten sie unter das Heu und nahmen sie Abends mit sich heim.
Es wurde zwar keine gerichtliche Klage gegen die Diebinnen erhoben aber am andern Morgen hörte man ein Getöse und Poltern in der Gegend der Felswand nordwärts Cierfs, oberhalb welcher die Alpe da Munt liegt. Es war ein solches Krachen und Geklopfe, als ob die Felswand zusammenstürzte, und der Teil der Gemeinde, welcher an deren Fusse liegt, verschnüttet werden sollte. -
Die Dialen waren aus- und weggezogen mit all' ihren unermesslichen Schätzen und Reichtümern. - Kein Mensch hat je mehr sie gesehen. Von ihrem Wegzuge geben jene schauerlichen, gefährlichen Risse in der Felswand Zeugnis genug.
Quelle: Volksthümliches aus Graubünden, D. Jecklin, vollständige Neuauflage, Berlin 2014
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch.