O Mensch, bewein' dein Sünd' aus Reu',
Denk' was geschah im Prätigäu,
Bei Saas, in den drei Bünden
Im Jahre Christi zu zellen sein
Tausend Sechshundert und Achzig und neun. –
Fünf und zwanzig Tag kundten
Des Jenners machen auch den Tag
Pauli Bekehrung voller Klag.
Im Vollmond um acht uhren
Morgens der Sonnen Hitz anfing
Oder ein Erdbidem erging.
Dass Schneebruch abwerts fuhren
Von Calmuren Gebirg so hoch
Herab am Galanda-Berge nach.
Zum Hornen und Grüntholen
Ein Schneebruch entstand sehr gähling,
Nächst Galanda-Maiensäss ging.
Tät Alles genau wegholen
Den Gütern Zestiew vorbei,
Durch die Mäder Fendrils ganz frei.
Die Güetter zu Parschleze
Durchrauscht, und nahm ein Teil vom Walde
Mit so schräcklich grausamen gewalt
Dass er doch nicht zur Letze
Verwüest viel Berg-Auen und Ställ,
Fuhr durch den mittleren Berg gar schnell,
Mit vielem Gewurz, Holz und Steinen.
Trang zur Nachbarschaft Raschnal ein
Schoss übern Fluss Lanquart tät syn.
Breit als er pflegt zu scheinen
Ongfahr eine halbe viertel stund
Nicht neue Häuser, viel Ställ zu grund,
Tödt' der Menschen sechszehen,
Truckt under vier, die schreien noch,
Die Not ist gross, Gott rett' uns doch,
Ach Gott, thu uns beistehen.
In solchem Jammer und Elend
Dem Glockensturme folgen behend
Viel Leut aus den Gemeinden
Zu Küblis, Conters und Saas.
Weil Noth erfordert dies und das,
Zu helfen sie vermeinten;
Aber desselben Tag's Mittag
Noch ein Schneebruch vermehret die klag,
Des Grausamkeit und Schrecken
Weit grösser als des ersten war.
Brach an dem Nollen, wollt' fast gar
Galanda-Mäder decken
Reist hin durch die Galanda-Grub
Oder Thole, und sich erhub
Teils durch die Brunnenhöhle.
Hinab ganz durch den mittleren Berg,
Übers Landwasser, überzwerch,
B'hüt' Gott ein jede Seele,
Durch Falarasca und noch mehr
Durch Galardonda, das auch sehr.
Parfagni musst erschallen
Durch so erschreckliches Getöss,
Da grausam folgten Stöss auf Stöss.
Steinblöck auf Blöcke fallen
Beim Sagenbache, dieser Gewalttat
All' Wohnhäuser zerschmettert hat,
Ander fünf noch verdorben.
Was Jammers war noch da zu sehen?
Wer möcht' die Herzensleid ansehen?
Viel Leut erbärmlich sturben:
Funfzig sieben Toter man fand,
Nach und nach, als man grub zur Hand.
Etliche, die noch lebten,
Lebten nicht lange, etlich verletzt,
Ach der Straf die Gott aufg' setzt.
Über die, so da schwebten
Lieb Mann, Weib, Kinder und Gesind,
Im Schneebruch tods verblieben sind.
Wer möcht' Alles erzellen
Viel Hausrat, Gut und Gelt
Viel Futer auch darbei gezelt,
Am Ausrechnen möcht's fehlen.
Hundert fünf und fünfzig Gebäuw
Häuser und Ställ alt oder neu
Daselb zu Grund sind gangen.
Quelle: Volksthümliches aus Graubünden, D. Jecklin, vollständige Neuauflage, Berlin 2014
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch.