Die ganze Ortschaft Untervaz soll auf einer Schuttmasse liegen, unter welcher die Häuser eines, vor vielen Jahrhunderten verschütteten Dorfes sich befinden.
Und dieses erste Dorf soll durch eine ungeheure Rüfe, welche der Cosenz-Bach aus den Bergen ablöste, und dem Talgelände zuführte, untergelegt worden sein, zur Tagesstunde, als eben die Bewohner zur Kirche gegangen waren, um im Gebete Trost zu finden, in der Zeit der harten Prüfung, denn vor wenig Tagen hatte ein Unwetter sehr viel geschadet, und wiederholtes Steigen des Baches erregte grösste Besorgnis.
Plötzlich liess ein furchtbares Getöse sich vernehmen, - dann entsetzliches Rauschen und Krachen von zusammenstürzenden Häusern und Stallungen, und unermessliche Angst bemächtigte sich der zu Gebet und Fürbitte Versammelten. Die Glocken, die vor einer Stunde zum Gebete gerufen, erschollen nun in schauerlichem Sturmgeläute.
Der Geistliche ergriff das Allerheiligste, und jammernd und betend flüchtete die Einwohnerschaft in Prozession mit Kreuz und Fahne, feldeinwärts, - aber fast Alle holte die Rüfe ein, und begrub sie in ihr Schlammbette.
Häuserhoch liegt nun diese Schuttmasse, und an der Stelle, wo der Geistliche mit dem Allerheiligsten versunken, und begraben liegt, auf der sog. Raine, verbreitet sich zu Zeiten ein Geruch von Weihrauch.
Quelle: Volksthümliches aus Graubünden, D. Jecklin, vollständige Neuauflage, Berlin 2014
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch.